Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
meine Herren, es ist schon alles gerichtet.«
Noïrun folgte dem Mann ohne weitere Umstände, und Rowarn stapfte mit offenem Mund hinterdrein. Sie wurden über einige Stufen, durch Nebenräume und über weitere Treppen schließlich in eine andere große Gaststube geführt. In einer Turmausbuchtung befanden sich zahlreiche kleine Nischen, wo man zu zweit, höchstens zu viert unter sich saß, ohne unerbetene Mitlauscher.
Das Staunen nahm noch lange kein Ende, als Rowarn auf dem ihnen zugewiesenen Tisch bereits zwei volle Bierkrüge mit perfekter Schaumhaube und eingelegte Früchte samt Knusperbrot vorfand. Noïrun rieb sich begeistert die Hände, seine Augen leuchteten. »Das kann ich jetzt wirklich vertragen«, meinte er vergnügt und stieß an Rowarns Humpen.
Kurz darauf stand auch der Braten auf dem Tisch, und Rowarn entschied sich, zuerst zu essen und dann Fragen zu stellen. Sie ließen sich ausgiebig Zeit, und es war wirklich ein Genuss, der selbst Schneemonds Künste in Weideling übertraf. Nach der Hauptmahlzeit wurden ihnen kleine Schüsseln mit Nüssen und frischen Früchten gereicht, und auch eine Schale Tabak, aus der sich Noïrun gern bediente und sich eine Pfeife anzündete.
Rowarn sah sich um. Hier oben hielten sich nicht nur Menschen auf, sondern auch Zwerge und andere, vielgestaltige Wesen, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, oder auch nur von ihnen gehört. Und zu seiner Überraschung auch Warinen und Dämonen; Noïrun hatte also recht gehabt mit seiner Behauptung, dass jeder willkommen war. Wenn es jemals eine Erinnerung an jenes träumende Wunderreich vor dem Bruch der EINHEIT gab, so war sie hier zu finden, wo friedlich Freund und Feind nebeneinandersaßen, vielleicht sogar am selben Tisch.
Zahlreiche offene, hölzerne Galerie- und Wendeltreppen führten weiter in die oberen Etagen.
»Das reinste Labyrinth«, bemerkte Rowarn. »Und so viele Türen ... wo mögen die nur alle hinführen ...«
Noïrun zwinkerte. »Nur zu. Sieh dich um«, forderte er ihn auf.
»Müssen wir denn nicht weiter?«
»Wir haben so viel Zeit, wie du brauchst. Geh nur, ich rauche hier gern eine Weile für mich allein und ergehe mich in romantischen Träumereien.«
Rowarn entschied sich, künftig keine Fragen mehr zu stellen, weil jede Antwort nur noch mehr Verwirrung statt Aufklärung brachte. Dann machte er sich tatsächlich auf, um durch das Gasthaus zu schweifen. Niemand schien sich daran zu stören, Schankmaiden und Knechte wichen ihm lächelnd aus oder gaben ihm Hinweise, wo es interessant für ihn werden könnte. Weiter oben, erfuhr er, seien die Gästezimmer. Wenn er sich für eine Stunde hinlegen wolle, nur zu, er brauche sich nur ein freies Bett zu suchen. Es werde ohnehin bald dunkel, sagte man ihm, draußen neige der Tag sich schon dem Ende zu.
Also würden sie heute sowieso nicht mehr weiterreisen, und Rowarn brauchte sich keine Gedanken zu machen, wenn er noch ein wenig herumtrödelte.
Als er sich gerade nach einer weiteren Treppe umsah, prallte er mit einem Mann in schmutzverkrustetem Reisegewand zusammen und stieß sich dabei die verletzte Hand an einem Balken.
»Ich bitte vielmals um Verzeihung«, brummte der Mann. Seltsam, wie nass sein Umhang war, auch der Hut. »Es ist einfach zu eng hier.« Er tippte kurz an seinen Hut zum Gruß und eilte weiter.
Rowarn blieb stehen und hielt sich die Hand. Für einen Augenblick konnte er nicht einmal atmen, während der Schmerz durch seinen Körper tobte. Ihm war, als könne er genau hier und jetzt den Schritt der Eliaha hören, die sich langsam, schlurfend, patschend mit nackten Füßen auf Holz näherte. Angst stieg in ihm auf, und er versuchte, innerlich den Blick abzuwenden, damit er ihren grauenvollen Augen nicht begegnete. Am ganzen Körper zitternd rang er um Fassung, während er immer noch reglos verharrte, blind für alles um sich herum.
Da drang eine Stimme durch seinen aufgewühlten, von Schmerzgewittern durchzuckten Verstand, tief und volltönend, wie er noch nie einen ähnlichen Klang vernommen hatte: »Hierher, Junge.«
Er blinzelte, rieb sich mit zitternden Fingern den kalten Schweiß von der Stirn, während er die verwundete Hand an sich presste. Er sah einen Mann in einer Nische sitzen, von der aus der ganze Raum bis nahezu in den letzten Winkel überblickt werden konnte.
Für einen Moment stand Rowarn wie vom Donner gerührt, und sein Herz hämmerte gegen die Rippen. Der Schmerz verlor augenblicklich die Herrschaft über
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