Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
eine ganz neue Seite des Fürsten, und er war gespannt, was sich daraus noch entwickeln mochte. Bei dem Wappenhemd half ihm Noïrun, und er befestigte ihm auch die Rückenfahne – zum ersten Mal, und Rowarn hörte aufgeregt das Flattern hinter sich.
»Du trägst keine?«, meinte er.
Der Fürst lächelte. »Ich biete auch so ein gutes Ziel.«
Sie durchquerten im langsamen Galopp die weite Senke, und schließlich ging es unmerklich wieder bergauf, Bodenwelle um Bodenwelle, und dann erblickte Rowarn zum ersten Mal Ardig Hall, vom roten Schein der Nachmittagssonne beleuchtet.
Schlagartig waren die fünf Hügel ganz nahe gerückt, und vor ihnen, in der großen Ebene, breitete sich ein riesiges Heerlager aus, das Rowarn sprachlos machte. Tausende verschieden großer Zelte in Weiß und Blau, und alle trugen entweder eine Fahne auf dem Dach, oder das Wappen von Ardig Hall war auf die Zeltbahnen gestickt. Sie bildeten eine Stadt, an Bodenfläche mindestens so groß wie Ennishgar, die hier seit über einem Jahr entstand, wenngleich mit nur wenigen festen Behausungen – wie etwa den drei Schmieden, die sich neben gegrabenen Brunnen befanden, handwerkliche Stätten und dergleichen mehr. Tausende Pferde, Schafe und Rinder tummelten sich in Umzäunungen, in Vierecken wurde eifrig geübt, alles ganz ähnlich wie beim Titanenfeld, nur viel größer. Rowarn gaffte beeindruckt.
Und dann erst, er hatte es lange genug vor sich hergeschoben, richtete er den Blick auf das Schloss – vielmehr, auf die Ruine davon, die sich immer noch gewaltig über dem Heerlager auftürmte. Weiße, leuchtende Steine, die sich über drei Hügel erstreckten. Vom mittleren Hügel aus führte eine Allee zum Haupteingang. Unten hatte sich ein großer, marmorner Torbogen befunden, der nunmehr zerstört war. Der zweite Bogen, von dem aus die gewaltige Mauer rund um die drei Hügel führte, lag am Ende der Allee, genau über dem ersten, und auch er war zerstört, als habe ein Riese mit seinem Hammer zugeschlagen.
Dahinter gab es einen freien Platz, der großzügig in Wege innerhalb der Mauer auslief. Am Ende des Platzes, genau zum Tor gelegen, stand eine unversehrte, riesige Portaltreppe mit annähernd einhundert Stufen, die zum Schlosseingang führte. Früher mussten dort Säulen, Statuen, Bäume gestanden haben, doch das war alles zerstört, teilweise den Hügel hinabgeworfen. Auch die hohen, aus mit Intarsien besetztem Holz bestehenden Torflügel waren aus der Verankerung gerissen, und ein schwarzes Loch klaffte wie eine Wunde im weißen Gestein, in das rund um den Torbogen Tausende von Juwelen eingelassen gewesen waren, dazu feinste Fresken mit mystischen Szenen. Nur noch vereinzelte Stücke und wenige intakte Figuren zeugten von der einstigen Pracht.
Das mehrstöckige Schlossgebäude selbst war noch einigermaßen intakt, das Dach jedoch völlig eingestürzt, und auch die vier großen Eck- und die drei Rundtürme waren zur Hälfte eingerissen. Aber es bestand Hoffnung, dass vom inneren Gebäude noch etwas übrig war. Die Wehrtürme an der Außenmauer waren allesamt zusammengestürzt. Auch die Mauer selbst – eine Mannslänge dick und sechs Mannslängen hoch – hatte schwere Schäden davongetragen. Es war von hier aus kaum einzuschätzen, wie viel von den zahlreichen, teilweise miteinander verbundenen Nebengebäuden noch übrig war. Verkohlte, viele Speerwürfe hohe Bäume, deren entlaubte Leichen anklagend ihre verstümmelten Äste gen Himmel reckten, zeigten an, dass es auch weitläufige Parkanlagen gegeben haben musste.
Auf bizarre Weise strahlten die Ruinen immer noch Würde und weißes Licht aus; doch zwischen den Trümmern wanden sich zahlreiche Rauchsäulen zum Himmel empor.
»Es brennt noch immer ...«, flüsterte Rowarn.
»Seit nunmehr über einem Jahr.« Noïrun lenkte den Kupferhengst an seine Seite. »Zum ersten Mal seit seiner Errichtung wurde Ardig Hall überrannt. In dem Moment, als Königin Ylwa starb. Wir bekamen es in den frühen Morgenstunden mit, als sich der Weiße Falke klagend erhob und lange über dem Schloss kreiste. Gleichzeitig begann auch der Feind mit dem Sturm, setzte Wurfgeschosse und Leitern und Belagerungstürme ein, und alles begann zu brennen und einzustürzen. Es war ein unglaubliches Chaos.
Olrig und ich rannten die Treppe hinauf, während überall wild gekämpft wurde. Es war das erste Mal überhaupt, dass einer von uns das Schloss betrat, also hinter die Mauer kam, doch wir hatten keine Zeit,
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