Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
ging der Mond einst auf in jener Nacht,
als auf dem Turm ich stand und hielt die erste Wacht
hier in Ardig Hall.
Wind umfing mich, bot tröstend Salz mir dar
das Salz der See, ich kann es riechen, scharf und klar
auch in Ardig Hall.«
Und zweistimmig sangen sie:
»Und in meiner Erinn'rung, wenn die Nacht ist klar,
spür ich die See, tauch ein in die Fluten und schwimm mit der Schar.
Oh! Kannst du sie sehn, die große Stadt aus Koralle und Stein?
Leuchtend und wiegend Blumentier, Anemon', Diamantenstern,
so steh ich und sehn mich, ewig klagend, die See ist so fern,
Darf niemals hoffen, je wieder dort zu sein.«
Dann wieder Olrig:
»Perlmond bin ich, ein Friedensherrscher wollt ich sein, in Pflicht
und Ehr, doch das Meer tobt dunkel mit schäumender Gischt
hier in Ardig Hall.
Grimm'ger Heerschar tret ich entgegen, in Rüstung und Schwert,
auf dass einstmals wieder Licht und Frieden einkehrt
für immer in Ardig Hall.«
Und ein letztes Mal gemeinsam:
»Und in meiner Erinn'rung, wenn die Nacht ist klar,
spür ich die See, tauch ein in die Fluten und schwimm mit der Schar.
Oh! Kannst du sie sehn, die große Stadt aus Koralle und Stein?
Leuchtend und wiegend Blumentier, Anemon', Diamantenstern,
so steh ich und sehn mich, ewig klagend, die See ist so fern,
Darf niemals hoffen, je wieder dort zu sein.«
Ihre weithin schallenden Stimmen verklangen langsam, die letzten Töne sanken hernieder und versickerten im Gras, und die andächtig lauschenden Vögel fingen an, sich zu putzen, zum nächsten jubilierenden Flug bereit. Der dunkle Schatten einer Wolke zog an der Sonne vorüber.
Die beiden Männer schwiegen und warteten.
Rowarn merkte nicht, dass die Tränen über seine Wangen rannen. Er spürte es, das Meer rauschte mit wogender Gischt durch sein Inneres, und er fühlte die Salzluft auf seinem Gesicht, und tauchte ein in die kühle Dämmerung, die sich auf seiner Nauraka-Haut nicht nass, sondern rau und samtig zugleich anfühlte, ihn zärtlich umhüllend wie einst der Leib seiner Mutter.
Dieses Lied war die Wahrheit. Auch nach so langer Zeit war der letzte Nachkomme immer noch ein Verbannter, von unstillbarer Sehnsucht nach der See getrieben, obwohl seine Sippe gelernt hatte, auf dem Land zu leben.
Zwanzig Jahre lang war Rowarn in Unwissenheit aufgewachsen, doch nun, da er wusste, erwachte nach und nach das Erbe in ihm und machte ihm deutlich, dass er sich ihm nicht entziehen konnte. Er war durch den Eid seiner Vorfahren an das Tabernakel gebunden.
Alles in ihm schrie danach, sich endlich zu offenbaren, die Wahrheit hinauszurufen, dass es noch einen Hüter von Ardig Hall gab, dass der wahrhaftig Letzte der Nauraka, die das Meer verließen, immer noch am Leben war und damit die Geschichte noch lange nicht beendet. Die Heerschar von Ardig Hall sollte erfahren, dass sie nicht für eine Ruine kämpfte, weil man es ihr befahl oder sie dafür bezahlte, nur um den Untergang nicht gleich zu besiegeln. Es war noch nicht alles vergebens, der Splitter nicht ganz verloren. Die Treue derjenigen, die seit einem Jahr die Stellung hielten, sollte belohnt werden, und sie sollten einen Ansporn erhalten.
Wenn es an der Zeit ist , hatte Schattenläufer gesagt. Wann, wenn nicht jetzt? Rowarn stand nun bereits auf dem Boden seiner Sippe, kurz vor den Toren des Schlosses. Die entscheidende Schlacht stand bevor.
Zitternd kämpfte und rang er mit sich, versuchte, den Schmerz zu verdrängen, und die Trauer, und erkannte ... da war immer noch die dunkle Seite in ihm. Jenes unbekannte väterliche Erbe, das ihn zweifeln ließ, ob er stets nur im Guten handelte. Diese unkontrollierbare Wut konnte sich eines Tages gegen ihn und seine Freunde richten, seinen Willen vielleicht ganz übernehmen und möglicherweise zu einem Anhänger von Femris werden lassen. Wer wusste, was passierte, wenn der Unsterbliche von ihm erfuhr? Wenn er versuchte, ihn lebend in die Hände zu kriegen?
Nein. Es ist noch nicht so weit .
Rowarn hob den Blick und atmete einmal tief durch. Dann trieb er Windstürmer an, denn nun konnte er den Weg von allein finden.
Olrig und Noïrun blieben hinter Rowarn und ließen ihm Zeit.
»War alles ein bisschen viel auf einmal«, bemerkte der Kriegskönig, während sie ihre Pferde gemütlich dahinzockeln ließen. »Wenn man bedenkt, was alles auf ihn eingestürmt ist, seit wir das erste Mal bei ihm auftauchten.«
»Ja, er muss eine Menge verdauen«, stimmte der Fürst zu. »Seine ganze Welt steht kopf,
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