Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
der Splitterkrone zurücklassen musste. Aber wenigstens war Windstürmer bei ihm. War dies nicht genug, um irgendwo neu anzufangen?
Als hätte er es gespürt, näherte sich der kleine Falbe ihm plötzlich. Ganz zart stupste er Rowarn mit seiner Samtschnauze an und wieherte sehr leise und zärtlich.
Rowarn brach in Tränen aus. Die Anspannung seit der letzten Schlacht, der Gefangenschaft und Flucht drängte aus ihm hervor, musste sich Luft verschaffen. Hinzu kam der nur langsam abklingende Schmerz um den Tod von Morwen und Rayem, und so vieler anderer. Er empfand keine Freude, dass er frei war und Tamron wiedergefunden hatte; in diesem Moment fühlte er nur stechende Pein.
Windstürmers große Zunge tupfte die Tränen behutsam ab. Dann beugte der Falbe den Hals noch tiefer und schmiegte seinen Kopf an Rowarn. Der junge Mann drückte das Gesicht an ihn und ließ die Tränen laufen, alles aus sich herausströmen, in der stillen Hoffnung, er würde sich einfach auflösen, und alles wäre vorbei.
Mit einem Ruck fuhr Rowarn hoch und sah verstört um sich. Der Morgen zog gerade mit einem dünnen, lichtblauen Schleier herauf. Das Lager war still, die Feuerstelle glühte noch. Tamron lag ruhig auf seiner Trage, aber Angmors Platz war leer. Irgendwann musste der Visionenritter zu sich gekommen sein. Rowarn war froh, dass Angmor wieder wohlauf war, und zugleich beschämt, weil er die Wache verschlafen und Angmors Weggang nicht bemerkt hatte.
Jedenfalls traf sich seine Abwesenheit gut, dann konnte Rowarn eine dringende Sache gleich erledigen. Er stand auf und sah, dass Gaddo soeben erwachte und sich auch Moneg gerade in seinen Fesseln regte.
Augenblicklich fing der Verräter an zu zetern. »Was ist los? Wo bin ich? Gaddo, nimm mir sofort die Fesseln ab! Bist du verrückt geworden? Du hast mich angegriffen, geschlagen – und gefesselt? Hat dich eine Chalumi gebissen?«
»Ist ja gut, Moneg, ich erkläre dir gleich alles«, murmelte Gaddo.
Soweit wollte Rowarn es nicht kommen lassen. Schnell zog er das Schwert aus der Sattelschlaufe, ging zu den beiden und setzte es Moneg an den Hals. Der Verräter blinzelte mit einer Mischung aus Überraschung und Hass zu ihm hoch.
»Um es kurz zu machen«, sagte er ruhig. »Wir sind gestern von Sternfall geflohen und damit frei. Lass uns das also gleich ein für alle Mal klarstellen: Ich bin Ritter von Ardig Hall, und du warst einfacher Fußsoldat. Du hast Hochverrat begangen und verdienst den Tod mehr als jeder Feind. Doch ich werde dich nicht bestrafen, das ist allein Sache des Heermeisters.«
»Willst du ihn etwa ziehen lassen?«, erklang Angmors tiefe Stimme hinter ihm, bevor er fortfahren konnte, und der Visionenritter kam hinzu. Er musste soeben zurückgekehrt sein und die Situation sofort erfasst haben. Rowarn fluchte im Stillen. Genau das hatte er vermeiden wollen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten die beiden Verräter schon über alle Berge sein sollen, bis der Visionenritter wieder erschien.
Hinter Angmor schlich Graum heran und musterte Moneg und Gaddo mit leicht schief gelegtem Kopf. Dann leckte er sich langsam mit breiter, rosiger Zunge über die aus dem Maul ragenden Fangzähne.
Der Visionenritter sprach weiter: »Ich werde das nicht zulassen. Dieser Hundsfott hat nicht nur dich, sondern auch mich an den Feind ausgeliefert.« Ein eisblaues Glühen drang durch die schmalen Augenschlitze der Gesichtsmaske. Bevor Rowarn etwas tun konnte, hatte der Visionenritter den großen und schweren Moneg am Hals gepackt und mit einem Ruck hochgerissen. Dem Verräter quollen die Augen aus den Höhlen, als Angmor ihn mühelos mit nur einem Arm anhob, bis seine Füße den Boden nicht mehr berührten.
»Herr, ich bitte Euch«, sagte Rowarn vorsichtig, ohne zu eindringlich oder hektisch zu wirken. Der Visionenritter war ein edler und zudem gefährlicher Mann, bei dem man sorgfältig auf Tonfall und Wortwahl achten musste. Dass man mit einem Angehörigen der Alten Völker anders umgehen musste als mit Menschen oder Zwergen, hatte Rowarn von klein auf gelernt. Umso mehr, wenn es sich vielleicht tatsächlich um einen Annatai handeln sollte. So sachlich wie möglich erklärte er: »Ich gab Gaddo mein Wort. Dafür hat er uns geholfen.«
Angmor drehte langsam den Kopf zu Gaddo. Moneg zappelte mit den Beinen, die gefesselten Arme zuckten. Er stieß gurgelnde Laute aus, und sein Gesicht lief blau an. Aber der Visionenritter dachte nicht daran, ihn aus seinem Griff zu entlassen. Er
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