Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
nicht schon die ganze Zeit behandelt?«
»Du weißt genau, was ich meine. Wenn du so weitermachst, gefährdest du nicht nur dich, sondern auch die anderen. Insbesondere Noïrun, deinen Heermeister. Glaubst du ernsthaft, er lässt dich als seinen Ritter gegen Femris mitreiten, solange du so im Ungleichgewicht bist? Du öffnest dem Feind Tür und Tor.«
»Sonst noch was?«, fragte er gereizt.
»Rowarn, ich will dir helfen«, antwortete sie sanfter. »Wir alle wollen das. Wenn du es nur endlich zulassen würdest! Du bist auf dem falschen Weg.«
Nun hatte er genug. »Hat denn jeder nur gute Ratschläge für mich? Kann ich nicht einmal für mich allein sein und einfach das tun, was ich will? Habe ich kein Anrecht darauf, eigene Entscheidungen zu treffen?« Er wurde immer lauter, je länger er sprach. »Ich bin alt genug, für mich selbst zu sorgen! Noïrun tut das schon, seit er sechzehn oder siebzehn ist, und wieso muss das bei mir anders sein? So einfach, wie ihr euch das vorstellt, ist es nicht!«
»Wie du meinst«, sagte sie kühl. »Dann nimm auch die Folgen auf dich, die daraus erwachsen.« Leise schloss sie die Tür hinter sich, und trotzdem konnte er aus diesem ganz bestimmten Klick hören, wie zornig sie war.
Unglücklich sank er aufs Bett und vergrub den Kopf zwischen den Händen. Was ist nur in mich gefahren, Arlyn so anzuschreien? Ihr Vorwürfe zu machen? Das kann sie mir doch nie verzeihen! , dachte er verzweifelt. Ich kann nur zerstören, nichts aufbauen. Ich verletze meine Freunde und stoße sie vor den Kopf. Je mehr Anerkennung ich suche, desto schlimmer mache ich alles nur. Alles, was ich anfasse, geht schief. Arlyn hat recht, ich darf Noïrun keinesfalls weiter begleiten. Am besten ist es, ich verschwinde. Gehe weit weg, vor allem fort vom Tabernakel. Was immer der große Erenatar geplant haben mag, auch ein so mächtiges Wesen kann sich einmal täuschen.
Er war sehr müde, seine Glieder wie Blei. Kein Wunder, er hatte nicht geschlafen. Aber das konnte er auch unterwegs. Sobald er außer Sicht war, würde er sich tief im Wald ein Versteck suchen und dort ruhen. Hier jedenfalls wollte er keinen Augenblick länger bleiben. Deswegen würde er auch nicht Windstürmer mitnehmen, es würde zu lange dauern, ihn zu suchen, und es barg die Gefahr, dass jemand auf sein Verschwinden aufmerksam wurde. Bis seine Freunde merkten, dass er fort war, wollte er schon einen ausreichenden Vorsprung haben.
Hastig packte er zusammen, die Ritterfahne und das Wappenhemd ließ er zurück.
Rowarn öffnete die Tür und sicherte nach draußen. Nach wie vor rührte sich nichts, noch nicht einmal die Sonne blinzelte über den Horizont. Er schlich die Treppe genauso lautlos hinunter, wie er sich vor kurzem hinaufgestohlen hatte.
Draußen vor der Tür zögerte Rowarn noch einmal. Seine Augen wurden feucht, aber er schluckte die Tränen hinunter. Es war entschieden und vorbei.
Rowarn schlug den Weg nach links in den Wald ein, mit großen, schnellen Schritten.
Kapitel 29
Offenbarung I
Der Tag brach bewölkt an, doch es war trocken. Rowarn war es gleich, selbst wenn es Wolkenbrüche gegeben hätte. Er wollte nur weg. Er war erleichtert, als er endlich den Wald erreichte und in dessen Deckung eintauchen konnte. Nun würde es den anderen schwerfallen, ihm zu folgen, vor allem, weil er seine Spuren gut verwischen konnte.
Aber würden sie ihm überhaupt folgen? Wahrscheinlich nicht. Es gab so viel Wichtigeres zu tun. Wenn Noïrun nachdachte, würde er ohnehin zum selben Schluss gelangen wie Rowarn: dass es so besser für alle war.
Am besten ging er jetzt einfach immer weiter nach Osten, wo er noch nie gewesen war, und ...
Graum kam an seine Seite gesprungen, von irgendwoher. Rowarn verfluchte sich im Stillen. An den Schattenluchs hatte er nicht gedacht!
»Verschwinde«, sagte er. »Geh zu deinem Herrn, wo du hingehörst.«
»Miau«, machte der Kater und trottete neben ihm her.
»Aber verstehst du denn nicht?«, fragte Rowarn verzweifelt. »Das ist heute nicht unser üblicher Spaziergang. Ich ... gehe weiter. Viel, viel weiter. Geh zurück, Graum. Unsere Wege trennen sich, für immer.«
Er schritt schneller aus, und der Schattenluchs folgte ihm. Wie sollte er es dem Tier nur begreiflich machen?
Vor ihm lag ein schmaler Durchlass in einer dichten Hecke. Weiter war Rowarn noch nie gegangen, sondern stets hier abgebogen. Das war für ihn wie ein Symbol, als würde er noch einmal durch eine Tür nach draußen schreiten.
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