Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
ins Fleisch eindringen.
Graum war nicht minder angespannt als er, und seine orangeglühenden Augen waren starr auf den Visionenritter gerichtet.
Rowarn merkte, wie seine Kehle rau wurde. »Ich bitte Euch. Wenigstens das ... seid Ihr mir schuldig.«
»Nun gut. So sei es denn.« Dann zog Angmor die Handschuhe aus, und Rowarn sah ... nicht die Hände, die er kannte. Diese waren größer, kräftiger, und sie besaßen ... Krallen.
Der Visionenritter legte nun den Harnisch ab, und plötzlich wuchs er noch um ein bedeutendes Stück in die Höhe, um einen Kopf über den Nauraka, und seine Aura leuchtete stärker denn je.
Dann, bevor Rowarn erschrocken wegschauen konnte, öffnete der Visionenritter den Helm und nahm ihn ab.
Rowarn erstarrte. Er konnte den Blick nicht abwenden. Er hätte niemals erwartet, je hinter die Maske blicken zu dürfen. Und noch weniger hätte er erwartet, was sich tatsächlich dahinter verbarg.
Kein entstelltes Gesicht.
Ganz im Gegenteil.
Rowarn sah ... Augen, so blau wie ein alter Gletscher, und sie glühten eiskalt. Ein gewaltiges Hörnerpaar entsprang seitlich der Stirn, gebogen wie bei einem Widder.
Das war der nächste Schock: Die Hörner waren gar nicht der Helmschmuck, für den Rowarn sie immer gehalten hatte, sondern ... ein körperlicher Bestandteil. Auch das nur eine Lüge!
Das Gesicht war fast menschlich, abgesehen von den knochigen Augenwülsten anstelle von Brauen, die ihm einen harten, fast grausamen Ausdruck verliehen. Die scharfrückige Nase ragte ausdrucksvoll hervor. Zwischen den vollen Lippen blitzte ein Raubtiergebiss, das Graum zur Ehre gereichte, und die Ohren pressten sich lang, kräftig und spitz zulaufend an die Hörner. Kinn und Wangenknochen waren knochig und scharfkantig ausgeprägt. Die Haut war hell, von einem seltsam fahlen, bläulichen Ton, glatt und völlig haarlos.
»Ihr ... seid ... auch ...«, hauchte Rowarn kalkweiß und schwankte. Das erklärte noch einiges mehr. So viele kleine Einzelheiten, auf die er nie geachtet hatte, die ihn nie misstrauisch gemacht hatten, lagen nun klar und deutlich vor ihm und zeigten ihm, was er übersehen hatte.
»Du bist noch nicht fertig. Offenbare ihm alles !«, fauchte Graum. Unerbittlich hielt er Rowarn an der Schulter fest und zwang ihn, Angmor anzusehen. »Du hast ihn lange genug an der Nase herumgeführt! Der Junge hat es mehr als verdient.«
Rowarn blickte in die Augen des Dämons. Dann merkte er, wie es ihm den Boden unter den Füßen wegzog, schlagartig erkannte er seinen schrecklichen Irrtum. Die Wahrheit war noch viel schlimmer und grausamer als die Erkenntnis, die er gerade für offenbart gehalten hatte. Er hatte eine ganz falsche Schlussfolgerung gezogen, er ...
Der Visionenritter nickte langsam.
»Ich«, sagte er tief, »bin Nachtfeuer.«
Als Rowarn wieder zu sich kam, wollte er augenblicklich hochfahren und nach der Waffe greifen. Aber Graum hielt ihn mühelos am Boden fest und zischte ihm ins Ohr: »Hör zu, Junge, du hast jedes Recht der Welt, ihm die Hörner knapp unter dem Kinn abzusäbeln. Aber bevor du das tust, wirst du ihn anhören, verstanden? Er wiederum hat das Recht, sich dir zu erklären. Anschließend verfahre mit ihm, wie es dir beliebt. Ich werde dich nicht hindern und mich auch nicht einmischen. Aber zuerst hörst du zu. Habe ich dein Wort?«
Rowarns Augen glühten zornig. Dann nickte er. Graum ließ ihn los, und er setzte sich auf und rieb sich den Nacken, wo er noch den Abdruck der scharfen Krallen spürte. »Dann war also alles erlogen? Der Kampf mit Femris, die Wunden und die Entstellung?«
Angmor schüttelte den Kopf. Er stand ruhig und unbeweglich, wie zuvor. »Nein, das ist so geschehen. Femris und ich kämpften, und er zerstörte mein Gesicht durch Magie, Schwert und Ölfeuer. Nicht einmal ein Dämon kann das aushalten, selbst wenn er wie ich von Xhy stammt. Und Ylwa pflegte mich, wie ich es dir erzählt habe. Sie hat mir das Leben gerettet, obwohl sie noch fast ein Kind war. Die einzige Lüge war die über meine dauerhafte Entstellung. Ylwa konnte alle Wunden mit dem kostbaren Öl der Königsweide heilen, sodass nichts zurückblieb.«
»Das Öl der Königsweide? Etwa von meinen Muhmen?«
»Vermutlich. Sie kannten sich schließlich. Ich jedenfalls lernte deine … Mutter ... Jahre zuvor kennen, direkt nach der Zerstörung des Tabernakels, nachdem sich der Sturm gelegt hatte. Femris war damals schon fort, und ich suchte das ganze Schloss nach Ylwa ab, bis ich
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