Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
mit langen Vorderbeinen und kürzeren, stämmigen Hinterbeinen. Es hatte ein langes, seidig glänzendes Fell, das sich je nach Lichteinfall veränderte und so selbst dieses Riesenwesen nahezu unsichtbar werden ließ. Zwischen den Schultern wuchs ein langer Hals empor, auf dem ein verhältnismäßig kleiner Kopf saß, mit großen Löffelohren, lang bewimperten Augen und zwei langen Dolchzähnen, die aus dem Unterkiefer nach vorn ragten. Das Auffallendste aber war die zu einem langen, beweglichen Rüssel verformte Nase, die mit drei fingerartigen Fortsätzen geschickt jede noch so kleine Nuss vom Baum zupften.
Rowarn schenkte seinem Vater allmählich Glauben, denn die Pferde zockelten ungerührt weiter, ohne auf das Riesenwesen zu achten. Als es einen Schritt machte, war die Distanz plötzlich halbiert. Es stieß einen hohen, quäkenden Laut aus, und dann senkte es plötzlich den Hals und streckte den Rüssel aus.
Arlyn hielt sofort an, als sich ihr der Rüssel näherte. Ihr Gesicht zeigte keine Furcht, im Gegenteil, sie lachte, als ihr Haar durch einen prustenden Atemstoß nach hinten geweht wurde. Sie hob die Hand, berührte die Fingerfortsätze des Rüssels, die spielerisch über sie tasteten. Der kleine Kopf senkte sich so tief wie möglich, und die großen, sanften dunklen Augen musterten die junge Frau neugierig. Sie hätte sich quer über die nach oben gebogenen Zähne legen können, das Riesentier hätte das Gewicht vermutlich nicht einmal gespürt. Liebevoll tätschelte es Arlyn mit seinem Rüssel.
Bald kamen noch mehr der Gandarië heran, prustend und schnaufend und mit diesen seltsamen, überhaupt nicht zur Größe passenden Quietschlauten.
Auch Rowarn wurde beschnüffelt, und er berührte sacht den Rüssel. Im Vorbeireiten riss er einen Zweig ab und bot ihn an. Er wurde überaus vorsichtig angenommen, ins Maul gesteckt und geräuschvoll verzehrt.
Als sie weiterritten, verloren die Riesenwesen schließlich das Interesse an ihnen und wandten sich wieder der Nahrungssuche zu.
Das Gelände war offen, sie konnten nun die Zügel freigeben und kamen schnell voran. Das grüne Band Dubhans rückte näher, und Rowarn verspürte Aufregung. Angmor schlug einen Bogen Richtung Westen, auf ein Waldgebiet zu, das bessere Deckung bieten würde. Eine Rast noch, und dann hatten sie das Ziel erreicht.
Doch da scheute Angmors Pferd plötzlich und warf den Visionenritter beinahe ab. Wiehernd stieg es und weigerte sich, weiterzugehen.
Rowarn beschleunigte Windstürmer sofort, der unruhig wurde, aber immerhin gehorchte. Dann verschlug es ihm den Atem.
»Zurück!«, rief Angmor und versuchte, sein Pferd zu wenden. »Schnell, bevor Arlyn es sieht! Hier können wir nichts mehr tun.«
Aber die Heilerin war bereits heran, bevor Rowarn sie aufhalten konnte. Schweigend verharrte sie. Auch die Übrigen waren angekommen und zeigten betroffene Gesichter.
Graum kam in seiner Dämonengestalt von dem Feld zurück, auf dem ein unglaubliches Massaker stattgefunden hatte.
»Es waren Siedler«, berichtete er. »Menschen. Ich nehme an, sie waren auf der Suche nach einem besseren Leben, ihrer ärmlichen Bekleidung nach zu urteilen. Die Karren waren irgendwie aus Resten zusammengezimmert, die Pferde abgemagert. Die Täter haben keinen am Leben gelassen, nicht einmal die ... ganz Kleinen. Diese und die Halbwüchsigen nehmen sie normalerweise mit, um sie zu Ihresgleichen heranzubilden. Aber das sieht hier nicht danach aus.«
»Bist du ...«, begann Arlyn mit brüchiger Stimme und räusperte sich. »Bist du sicher, dass keiner mehr ...?«
Der Schattenluchs nickte, seine langen Pinselohren waren seitlich abgestellt. Rowarn kannte ihn gut genug, um das als Zeichen dafür zu erkennen, wie sehr der Anblick selbst ihn, einen Dämon, erschütterte.
»Ich verstehe es nicht«, sagte Graum. »Es gab nichts zu rauben, sie haben nicht einmal Sklaven genommen. Es ist so ... sinnlos ...«
»Sie hatten einfach Spaß daran ...«, bemerkte Reeb. »Ich sehe so etwas nicht zum ersten Mal.«
Rowarn schwieg. Wie es schien, hatte Heriodon für andere ebenfalls einen guten Lehrmeister abgegeben, auch wenn er sich nicht um jeden Einzelnen so intensiv gekümmert hatte wie um Rowarn. Doch das hier wäre ganz nach seinem Geschmack gewesen.
»Sie sind nicht im offenen Krieg«, meinte Tamron. »Derzeit herrscht ein unruhiger Friede. Ihnen ist langweilig geworden, also ziehen sie durch die Lande, rauben und morden, was sie finden können. Um zu zeigen, dass sie
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