Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
fällen.«
Ja , dachte Rowarn bei sich, v or allem angesichts der Kinder, die ebenso gnadenlos wie die Eltern niedergemetzelt wurden . Er schob das Bild von sich; es war vorbei, das musste er sich bewusst machen. Im Lauf seines Lebens würden noch weitere solcher Schreckensbilder hinzukommen, und Entscheidungen, die schwer wogen und Schatten über seine Seele warfen. Aber das hatte er so gewählt, als er sich entschied, das Erbe seiner Mutter anzutreten. »Es ist trotzdem hart«, sagte er leise.
»Gewiss«, stimmte Tamron zu und fuhr fort: »Wir mögen es als Ungerechtigkeit ansehen, aber unser Blick ist sehr kurz. Nichts geschieht umsonst im Traum, und nichts geht verloren. Vielleicht ist diesen armen Kreaturen dadurch sogar ein weitaus schlimmeres Schicksal erspart geblieben. Eine Ungerechtigkeit wird anderswo durch eine Gerechtigkeit ausgeglichen.
Einstmals, als es noch die EINHEIT gab, geschah so etwas nicht, denn es war alles eins. Doch nun leben wir im Schatten der GETEILTEN, und so gibt es nunmehr zwei Seiten, zwei Hälften, getrennt voneinander. Aber es ist immer noch dasselbe Gefüge. In unserer Wahrnehmung, deiner und meiner, mag der Bruch endgültig sein, die Entfernung zwischen den Seiten gewaltig und unüberbrückbar. Aber in Wirklichkeit hat sich nichts verändert, es ist nichts fort, und nichts hinzugekommen. Es ist alles noch da, genau wie vorher, nur neu angeordnet. Wenn man das gesamte Bild von außen betrachtet, sind wir immer noch alle eins.«
»Dann soll man keinen Schmerz empfinden?«, wisperte Arlyn.
»Doch«, antwortete der Unsterbliche sanft. »Das Mitgefühl lehrt uns die Achtung vor dem Leben, und die Liebe schenkt uns die Freude daran.«
Die Lady hob den Kopf und sah Tamron an, ihre Augen waren groß und dunkel, und goldene Flammen tanzten in ihnen. »Das hat einstmals mein Vater zu mir gesagt. Danke, dass du mir diese Worte wieder ins Gedächtnis gerufen hast.«
»Loghir war ein weiser Mann«, sagte Tamron. »Die Welt hat durch seinen Tod einen großen Verlust erlitten.« Er erhob sich. »Legt euch schlafen, wir haben alle Ruhe nötig. Wir haben noch einen anstrengenden Weg vor uns.«
Arlyn blickte dem Unsterblichen nach. »Ich habe noch so viel zu lernen ... ich fühle mich, als betrete ich zum ersten Mal die Welt ...«
»Mir geht es nicht anders«, murmelte Rowarn.
Lange blickten sie einander in die Augen. Dann legte Rowarn sich hin, ohne Arlyn loszulassen, und sie schmiegte sich an ihn. Ihre Wärme breitete sich wie ein goldener Sonnenstrahl in ihm aus, und er fühlte sich selbst getröstet. Ruhig schliefen sie ein.
Kapitel 35
Das naurakische Erbe
Als Rowarn am Morgen erwachte, war er allein. Er richtete sich auf und blickte sich um, und unwillkürlich fühlte er einen Stich Eifersucht, als er Arlyn entdeckte, und eng an sie geschmiegt Graum. Beide schliefen tief, und die junge Frau hatte einen Arm um den Schattenluchs gelegt. Leise stand Rowarn auf, schüttete aus einem Beutel etwas Wasser auf seine Hand und rieb sich das Gesicht. Die Entscheidung stand bald bevor, und er war hin- und hergerissen zwischen Furcht und Ungeduld. Er wusste nicht, worauf er sich vorbereiten musste. Niemand war je in Femris’ Nähe gewesen, nicht einmal Tracharh oder Heriodon. Der Unsterbliche hielt große Distanz zu allen. War es Angst, weil er in Wirklichkeit nicht so stark war, wie er sich gab? Aber Rowarn hatte ihn erlebt, im magischen Zweikampf mit Angmor. Und er hatte Ylwas Mutter von eigener Hand getötet. Also was war der Grund?
Rowarns Blick fiel auf Tamron, der wach war und sein Pferd striegelte. Er war ebenfalls ein Unsterblicher, doch auch Tamron schien nichts über Femris sagen zu können. Er hatte ihm schon im Kampf gegenübergestanden, doch sie hatten Helm und Rüstung getragen, als sie aufeinander einschlugen, und konnten einander nicht von Angesicht zu Angesicht sehen.
Femris’ andauernde Erfolge waren wahrscheinlich auch darauf zurückzuführen, dass niemand etwas über ihn wusste. Dass er seine Macht gezielt einsetzte, um den Feind in Schach zu halten und die Untergebenen in Demut. Er schien niemals übers Ziel hinauszuschießen, sich nie eine Blöße zu geben. War er überhaupt ein fühlendes Wesen?
Rowarn ging zu seinem Vater, der still am Waldrand stand und aufs Land blickte. »Hast du schon darüber nachgedacht, ob Femris ein Dämon ist?«, fragte er ihn.
»Gewiss«, antwortete Angmor. »Aber es gibt außerhalb der göttlichen Sphären nur einen einzigen
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