Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Fürsten, und mit der Kralle der anderen Hand ritzte er sich tief in die Haut der Innenfläche.
Rowarn kniff geblendet die Augen zusammen, als ein grelles Strahlen aus dem Schnitt drang, das den ganzen Raum in gleißendes Licht tauchte. Er sah, wie sich ein leuchtender Tropfen von der Hand löste, unnatürlich langsam herabsank und schließlich auf Noïruns Zunge traf und in seinen Mund rollte.
»Schließ den Mund und schlucke, schnell!«, befahl Angmor und presste hastig ein schwarzes Tuch an seine Hand, deckte damit die leuchtende Wunde ab und verband sie eilig.
Der Fürst schluckte hörbar.
Für einen Moment trat geisterhafte Stille ein. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, bis alles erstarrt war.
Dann ging ein Ruck durch Noïruns Körper.
»Haltet ihn!«, rief Angmor. Er presste seine Hand auf Noïruns Brust; die Rippen knirschten vernehmlich.
Rowarn hätte beinahe den Halt verloren und konnte sich gerade noch mit einer Hand am Bettpfosten festhalten, sonst wäre er zurückgeschleudert worden, als der Körper des Fürsten sich trotz der erdrückenden Kraft des Dämons aufbäumte und ein Sturm aus ihm hervorbrach. Sein Leib wurde schwarz wie ein Schatten. Aus Augen, Mund, Ohren, Nase und sogar aus der Haut strömte Licht heraus, fühlbar wie ein gewaltiger Windstoß, der durch den Raum brauste. Noïrun schrie, doch seine Stimme ging unter in der entfesselten Macht, die in ihm und um ihn tobte. Auch Rowarn schrie. Das donnernde Licht rüttelte und zerrte an ihm, raste durch seinen Schädel, und er merkte, wie ihm Blut aus der Nase, den Ohren und selbst aus den Augen rann. Der Schmerz machte ihn halb besinnungslos. Seine Hände zitterten, und er hatte das Gefühl, als würden Haut, Sehnen und Muskeln von den Knochen schmelzen. Durch einen roten Nebelschleier sah er, wie Noïruns Leibwäsche und Verbände verbrannten und Licht wie eine Fontäne aus den Wunden hervorschoss. Der Körper des Fürsten wurde von ungeheuren Kräften umhergeworfen, sodass es selbst das Bett noch anhob. Er war nicht mehr als Mensch erkennbar, nur noch als helldunkles Schreiwesen, das Zentrum eines entfesselten Zyklons, der allein aus ihm kam.
Rowarn wusste nicht, wie lange der Kampf dauerte. Sein Gesicht und Körper waren mit Blut, Tränen und Schleim bedeckt, sein Hals schmerzte vom Schreien. Trotz dieser Qualen war er nicht sicher, ob er überhaupt noch lebte oder sich vielleicht längst in der Essenz aufgelöst hatte, sie nährte und weiterstürmen ließ. Die Einrichtung des Raums war zertrümmert, Bilder von den Wänden gerissen; Splitter flogen um ihn herum.
Und dann, völlig abrupt, war es vorbei. Das Licht erlosch, und als würde alles rückwärts gehen, zog sich der Sturm in den Fürsten zurück. Die Überreste der Einrichtung verharrten für einen Lidschlag verdutzt auf der Stelle, als kein Sturmlicht sie mehr trug, und krachten dann zu Boden. Das Brausen und Donnern erstarb, und Rowarn zog die zitternden Hände zurück, als Angmor sich aufrichtete und mit schnellen Schnitten die Fesseln löste. Undeutlich erkannte der junge Mann den völlig erschöpften, zerzausten und blutbesudelten Zwerg auf der anderen Seite des Bettes. Der Fürst bäumte sich noch einmal auf, beugte sich über den Bettrand und würgte einen dunklen, gallertartigen Klumpen aus, der klatschend auf den Boden fiel und dort im Verlauf von zwei Herzschlägen zischend austrocknete und verging. Dann fiel Noïrun ins Kissen zurück und regte sich nicht mehr.
Rowarn hatte keine Kraft mehr und brach neben dem Bett zusammen; mit einem dumpfen Poltern sank auf der anderen Seite auch Olrig zu Boden. Rowarns Leib schlotterte unkontrolliert, von Krämpfen geschüttelt.
Nur Angmor stand felsenfest wie immer, beugte sich über den Fürsten und rieb ihm behutsam mit einem feuchten Tuch das Gesicht ab. »Du könntest selbst den Göttern die Stirn bieten, Menschensohn«, brummte er. »Wahrhaftig, du gehörst zu den Größten deines Volkes auf Waldsee. Niemals zuvor in meinem langen Leben begegnete ich einem Menschen wie dir. Diese Welt sollte dich in hohen Ehren halten.«
Rowarn, dessen Atem immer noch keuchend und pfeifend ging, hob langsam den Kopf. Sein Puls raste. Ihm war, als hiebe ein glühender Hammer dröhnend auf seinen Verstand ein.
Durch das Brausen in seinen Ohren hörte er plötzlich eine leise, raue, vertraute Stimme: »Ich glaube, ich könnte jetzt einen Ushkany vertragen.«
Rowarn hörte, wie Olrig auf der anderen Seite des Bettes in Tränen
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