Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
stark wie immer, von seiner düsteren und niedergeschlagenen Stimmung war nichts mehr zu merken. Rowarn war froh darüber.
Dank Angmors visionärer Gabe konnten sie allen Gefahren rechtzeitig ausweichen. Der von ihm gewählte Weg führte durch tiefe, unberührte Wildnis, in der Rowarn sich allein hoffnungslos verirrt hätte. Selten genug gab es Gelegenheit, sich am Sonnenstand oder den Sternen zu orientieren, und selbst Tierpfade gab es kaum. Die meiste Zeit mussten sie die Pferde am Zügel hinter sich herführen, und es war nicht immer ganz einfach, sie zum Weitergehen zu bewegen. Es war sehr anstrengend, nicht nur für die Pferde, doch der Visionenritter trieb sie unermüdlich voran. Dass sein Vater sich wenige Tage vorher alt und müde gefühlt haben sollte, kam Rowarn jetzt wie ein Scherz vor. Mehrmals war er nahe daran, einen Streit mit Angmor anzufangen, wenn er Arlyns erschöpftes Gesicht sah, doch sie warnte ihn jedes Mal mit einem kurzen Blick. Sie schien immer zu wissen, was er gerade dachte und tun wollte.
Zu einer Begegnung mit den Dubhani kam es nicht, aber das wunderte Rowarn keineswegs. Hierher verirrte sich ja kaum ein größeres Tier; bisher hatte er nur Insekten und Vögel entdeckt, ab und zu einmal die Losung eines Dickas, ein nur wenige Handspannen hohes Reh.
Einen ganzen Tag hindurch regnete es, und sie kamen nur noch mühselig voran. Das Gestein war glatt, der Boden schlammig. Schweigend kämpften sie sich Stunde um Stunde vorwärts. Erst am Abend, als sie mit triefnassen Umhängen unter einem überhängenden Felsen hockten und an ein paar Streifen Trockenfleisch nagten, brummte Oïsin: »Da gehe ich lieber zweimal am Tag in die Schlacht.«
»Außer, es regnet«, spottete Reeb.
Angmor blieb draußen im Regen stehen und hielt Wache. Als Rowarn zu ihm hinauskroch, sagte er: »Bleib besser im Trockenen, Junge.«
»Aber du stehst auch hier draußen.«
»Ich bin ein Dämon ohne Fell. Mir macht Nässe nichts aus. Ich spüre sie nicht einmal.«
»Ich bin zur Hälfte Dämon und zur Hälfte Nauraka, was sollte also ich spüren?«
»Aha, dann ist dieses Schlottern also ein Ausdruck des Wohlbefindens. Das habe ich wohl immer falsch verstanden.«
»Nun ...« Rowarn fühlte sich ertappt.
»Wenn Ylwa so gezittert hat, war es jedenfalls immer kalt.«
»Ich zittere nicht.«
»Nein. Du schüttelst dich vermutlich nur trocken.«
»Du bist blind, Vater. Du kannst mich nicht einmal visionär erkennen, das hast du mir selbst gesagt.«
»Ich kann dich dafür umso besser hören. Deine Mutter hasste den Landregen auch. Sie sagte immer, das Wasser der See wäre wie eine gleichmäßige schützende Hülle, und durch die Kiemenatmung wäre der Körper bald eins damit. Der Regen aber fällt ungleichmäßig in großen, schweren Tropfen und peinigt die sich ständig anpassende Haut durch andauernde trommelnde Schläge.«
Rowarn gab es auf, sich verstellen zu wollen. Seinem Vater, der erschreckenderweise auch noch anfing, eine Art Humor zu entwickeln, konnte er ohnehin nichts vormachen. Er fror erbärmlich, mehr als die anderen. Regenwasser war wirklich eine Qual für ihn. »Du warst meiner Mutter sehr nah«, stellte er stirnrunzelnd fest. »Sie hast du nicht auf Distanz gehalten.«
»Nein. Bei ihr war ich ... anders.« Von Angmors Ohren und Hörnern rannen Bäche herab, aber es schien ihm tatsächlich nichts auszumachen. Seine Augen glühten sehr klar und eisblau im letzten Dämmerlicht des Tages. »Ich war jemand, den ich zuvor nicht kannte und der kein Teil von mir zu sein schien. Die Erinnerung an diese Zeit, an die Gefühle, ist immer noch sehr lebendig in mir. Es ist ja auch noch nicht lange her.«
Rowarn hätte ihm nun gern Fragen über sein früheres Leben gestellt, vor allem, wie lange es schon währte. Aber der Schrecken über Angmors Niedergeschlagenheit vor einigen Tagen saß immer noch tief, er sollte ihn besser nicht gerade jetzt daran erinnern. Außerdem hatte Angmor das Versprechen gegeben, eines Tages alles zu offenbaren, vielleicht sollte er sich also weiterhin gedulden. Stattdessen sagte er: »Du frierst vielleicht nicht. Aber du musst ruhen, wie jeder von uns. Ich glaube nicht, dass uns hier in dieser verlassenen Gegend Gefahr droht. Selbst im Dämonenland war es nicht stiller als hier.«
»Nur im Randgebiet ist das so. Ansonsten ist es ziemlich laut.« Angmor lehnte sich entspannt an den Felsen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin nicht müde, und ich kenne Techniken, wie
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