Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
begegneten, und Kinder liefen spielend durch die Gassen.
Vor und im Goldenen Baum wurde eifrig gearbeitet. Daru, dessen linker Arm in einer Schlinge steckte, beaufsichtigte alles und scheuchte die Leute umher. Er nickte Rowarn kurz zu, als er ihn erblickte, beachtete ihn aber nicht weiter. Doch für Rowarn war es mehr, als er je erwartet hätte.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich so frei zu sein. Er brauchte sich keine Gedanken mehr zu machen, was die anderen über ihn dachten, und er musste sich auch nicht unsichtbar geben, um Ärger zu vermeiden. Der Kampf gegen die Grimwari hatte alles verändert.
Und nicht nur für ihn, wie er bald darauf verwirrt feststellte, als er Rayem begegnete. Er hätte ihn beinahe nicht wiedererkannt. Dies war nicht der aggressive, nörgelnde Bruder von Anini, grobschlächtig und stumpf, mit dem er in der Kindheit nicht selten gerauft hatte. Sein Schritt war federnd, seine Augen hatten Glanz gewonnen, und er nahm seine Umgebung aufmerksam wahr. Er trug auch nicht mehr die üblichen schlampigen Sachen und die ewig blutige Schürze.
»Tag, Rowarn«, sagte er und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Der Fürst sitzt hinten in der Nische. Ein Bier?«
»Ja, danke«, erwiderte Rowarn verdutzt. Das war überhaupt noch nie vorgekommen.
Rayem verschwand hinter dem Tresen, wo seine Mutter Hallim stand und Bier zapfte. Auch sie war völlig verändert. Einige Zeit hatte es so ausgesehen, als würde sie den Tod von Anini nicht lange überleben, aber nun war sie wie ausgewechselt. Sie lächelte und winkte Rowarn zu.
»Nun, junger Freund, dein Gesicht verrät einiges Staunen!«, bemerkte Olrig, als Rowarn an den Tisch trat, wo der Fürst, der Zwerg, Morwen und noch ein oder zwei von der Schar saßen. Morwen zwinkerte kurz, wandte sich dann aber wieder den Soldaten zu. Olrig lächelte Rowarn an, rückte ein wenig zur Seite und wies einladend auf den geschaffenen Platz zwischen sich und Noïrun.
»Alles hat sich verändert«, entgegnete Rowarn, während er sich setzte und sein Bier von Rayem in Empfang nahm. »Ich erkenne nichts mehr wieder.«
»Ja, es hat einiges bewirkt«, stimmte der Kriegskönig zu. »Eigenartig, nicht wahr? So furchtbare, grausame Geschöpfe haben etwas zum Guten gewendet und die Menschen darauf aufmerksam gemacht, dass mehr in ihnen steckt und jeder Tag es wert ist, aufmerksam begangen zu werden.« Er stieß mit Rowarn an. »Umso mehr bewundere ich dich für deine mutige Entscheidung gestern, für Grimwar einzustehen. Du hast da etwas erkannt, was viele Weise manchmal nie herausfinden.«
»Sie sind anders als wir«, murmelte Rowarn. »Für Grimwar war es keine grausame Handlung, sondern etwas, das zu seinem Leben gehörte. Viele Alte Völker haben so oder ähnlich gelebt, bevor die Menschen und auch die Zwerge auftraten. Sie sehen die Dinge anders als wir, sie bewerten sie anders, und sie ... denken anders als wir.«
»Die Lehren deiner Muhmen sind auf fruchtbaren Boden gefallen«, bemerkte Olrig anerkennend.
»Das haben wir bereits bei unserer ersten Begegnung festgestellt«, sprach der Fürst, der bis dahin schweigend dagesessen hatte. Er wandte sich Rowarn zu. »Wie geht es dir?«
»Ausgezeichnet, Herr«, konnte Rowarn ehrlich antworten. »Die Heilkünste meiner ehrenwerten Mutter sind unübertrefflich. Wann werden wir morgen aufbrechen?«
»Du bist also weiterhin fest entschlossen?«
»Ja, Herr, wenn Ihr mich in Eure Dienste nehmen wollt.«
Noïrun lächelte. »Was für eine Frage. Aber sag mir, junger Rowarn, was genau ist der Grund für diese Entscheidung?«
»Wir hatten einen Handel vereinbart«, antwortete Rowarn verunsichert.
»Von dem ich dich gestern entbunden habe, was du sehr wohl begriffen hast. Also weiche mir nicht aus.«
»Es sind eine Menge Gründe, edler Herr. Und hier gehöre ich nicht mehr her. Ich will Euch folgen. Ich will wissen, was für eine Welt dort draußen ist, und was mit ihr geschieht. Und ... ich will nach mei…meinen Eltern suchen.«
»Das sollte uns genügen, meinst du nicht, Noïrun?«, mischte sich Olrig ein.
Über den brennenden Wunsch nach Rache, der ihn vor allem vorantrieb, wollte Rowarn nicht reden.
Der Fürst verzog keine Miene. Rowarn war sicher, dass er seine Zweifel hatte, doch er akzeptierte. »Du wirst mir dienen«, sagte Noïrun ernst, »als mein Knappe. Und ich werde dich im Kriegshandwerk ausbilden. Du hast gestern gezeigt, dass du Mut und Talent dafür hast, und wir können jede
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