Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
lerne und über meine Grenzen hinausgehe.«
»Meiner Ansicht nach hast du sie bereits zu weit überschritten. Dir geht es schlechter als mir.« Rayems Stimme klang fast mitleidig.
Rowarn schüttelte eisern den Kopf. »So weit bin ich noch lange nicht.« Er sah Rayem an. »Und du hältst auch durch. Jeder von euch wird das. Wir müssen gestählt sein, wenn wir auf die anderen Soldaten und Rekruten treffen, denn sie werden uns das Leben schwer machen wollen, weil wir aus Inniu kommen. Schau dir doch nur die Schar an, wie mitleidig sie alle auf uns herabblicken und sich über uns lustig machen. Die da draußen lachen genauso über uns, sie halten uns für Bauern und ungebildete Halbwilde, die kein Messer richtig herum anfassen können.«
Rayem seufzte. »Also willst du denen was beweisen?«
»Ihr wollt das, nicht ich. Und du allen voran, ich kenne dich doch. Ich sagte es schon, ich habe ein anderes Ziel.«
»Rowarn, du bist völlig irre. Aber gut, ich mache mit. Der Fürst weiß immer noch nicht meinen Namen, und er hält mich in der Tat für einen dummen Tropf. Ich werde ihm zeigen, dass ich mehr kann. Und die andern prügle ich schon dazu.«
Die Rekruten waren bereits unterwegs, als Rowarn erst fertig war mit dem Abbau des Zeltes und dem Verstauen aller Sachen auf den Packpferden, wozu auch Rayems gutmütiger dicker Gaul herhalten musste. Noïrun und Olrig nahmen Windstürmer wieder mit sich. Der Falbe wehrte sich längst nicht mehr so heftig und verzichtete auf seine Bocksprünge, sondern lief brav mit. Er hatte begriffen, dass der Wille der anderen stärker war als seiner, und dass Mitlaufen weniger kräftezehrend war. Inzwischen spitzten sich sogar seine feinen, leicht geschwungenen Öhrchen zwischen der dichten Kopfmähne.
Immerhin war der heutige Weg nicht so weit wie gestern. Diesmal sollten sie einen Brunnen erreichen, der in einer flachen Ebene erbaut worden war, an einer uralten Krüppeleiche, die als Wegmarkierung diente. Dereinst, so hieß es, habe hier Lúvenor gerastet, nachdem er Inniu erschaffen hatte, und der Baum habe ihm damals Schatten vor der heißen Sommersonne gespendet, und eine Quelle sei aus dem Boden getreten, um ihm den Durst zu lindern.
Rowarn brauchte diesmal länger, bis er die anderen eingeholt hatte. Er blieb auf der Straße, denn in dieser Gegend kannte er sich längst nicht mehr aus, und es gab zu wenige Hügel, auf denen man sich orientieren konnte. Immer wieder nickte er im Laufen ein. Der Schmerz war Teil seines Daseins geworden; Rowarn hatte, wie Rayem gesagt hatte, längst seine Grenze überschritten und lief ohne Willen und Bewusstsein dahin, einfach immer der Straße nach. Kurz vor Mittag erreichte er endlich die anderen, die gerade eine Pause einlegten, und ließ sich erschöpft gleich neben dem Weg ins Gras fallen.
»Ich kann dich ein Stück schleppen«, sagte Rayem und gab ihm aus einem Wasserschlauch zu trinken. »Das schulde ich dir, wegen gestern. Außerdem hast du mir beigebracht, richtig zu laufen, es geht jetzt schon viel besser.«
Rowarn schüttelte den Kopf. »Mach dir um mich keine Sorgen«, versicherte er. »Es geht mir besser, als es den Anschein hat. Laufen kann ich immer, wenn schon sonst nichts.«
»Wie du willst.« Rayem zog sich zurück.
Wie er es versprochen hatte, verriet Rowarn Jelim nicht. Er beobachtete aus der Ferne, wie sie anfing, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie stachelte die Rekruten an, forderte sie immer wieder neu heraus, geschickt und unauffällig. Mit ihren schulterlangen, glatten hellblonden Haaren und dem eher weichen, stupsnasigen Gesicht war sie so ganz anders als Morwen. Sie sah hübsch, harmlos und fast ein wenig einfältig aus. Kein Wunder, dass keiner der anderen merkte, dass sie längst keine Rekrutin mehr, sondern voll ausgebildete Kriegerin war.
Rowarn erkannte es an ihren geschmeidigen Bewegungen. Sie war in jedem Augenblick beherrscht und stets wachsam. Immer wieder verirrte sich ihr Blick, nur für die Dauer eines Lidschlags, in die Umgebung, oder zum Himmel. Dies wiederum erinnerte ihn an Morwen. Die Aufmerksamkeit war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, denn der Kampf endete nie.
In Gedanken wiederholte Rowarn, was sie ihm gestern gezeigt hatte. Natürlich würde er sehr lange brauchen, um auch nur annähernd so schnell zu werden wie sie und jemanden zu werfen. Aber darauf kam es nicht an, das konnte er durch Ausdauer und Übung erreichen. Wichtig war, dass er überhaupt wusste, wie es ging.
Rowarn ließ
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