Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
meint«, irgendeine ausweichende Ausrede eben. Aber er war klug genug, das nicht zu tun. Er schwieg und sah den Fürsten unruhig an.
»Warum antwortest du mir nicht?«, fuhr Noïrun fort. »Fürchtest du, mir würde deine Antwort nicht gefallen?«
Rowarns Finger verknoteten sich nervös ineinander. Er wagte es nicht einmal, zu nicken.
Das tat dafür Noïrun. »Es stimmt, die Antwort gefällt mir nicht.« Er sog zwei-, dreimal an der Pfeife und beobachtete die kleinen Rauchwölkchen, die über den Tisch schwebten und dann rasch zerfaserten.
Rowarn schluckte die erneut aufsteigenden Tränen hinunter. Er schämte sich, und er war niedergeschlagen, weil er den Fürsten enttäuschte. Es nutzte nichts, fleißig zu sein, wenn man sich nicht wie ein Knappe verhielt. Noïrun erwartete etwas ganz anderes von ihm, und das mit Recht. Hatte Rowarn ernsthaft geglaubt, es würde einem erfahrenen Mann wie Noïrun nicht auffallen? Oder es wäre ihm gleich, solange es keinen Widerspruch gab und seine Stiefel jeden Morgen sauber waren?
Schließlich brachte er doch ein paar Worte heraus. »W-werdet Ihr mich aus Euren Diensten entlassen?« Seine Stimme klang dünn und zitternd.
»Ich sollte es tun.« Noïrun legte die Pfeife ab und stand auf, dann zuckte er zusammen und stöhnte. »Ah, verdammt, dieses feuchtkalte Wetter! Olrig hat ganz recht: Wenn wir erst einmal angefangen haben, für vergangene Tage zu büßen, sind wir zu alt für so was.« Er streckte den Arm aus und winkte Rowarn. »Hilf mir, mich zu entkleiden, meine Schulter will heute einfach nicht.«
Rowarn beeilte sich, zu seinem Herrn zu kommen, öffnete den Lederpanzer, Wams und Hemd und zog die Sachen behutsam aus, danach Stiefel und Beinkleider, bis auf das Lendentuch. Zum ersten Mal sah er den Fürsten nahezu unbekleidet, und er war erstaunt über dessen straffen, muskulösen Körper, gesund und kraftstrotzend wie bei einem Dreißigjährigen und nicht wie bei einem Mittvierziger, ohne jegliches Anzeichen erschlaffender Haut oder Fettansatz. Sein Adel zeigte sich dadurch noch deutlicher, alles an ihm war ebenmäßig und wie modelliert, die leicht getönte Haut von einer besonderen Reinheit. Aber Rowarn sah auch die Narben an den Schenkeln, Armen und Bauch, und vor allem den Grund für die Schmerzen in der linken Schulter, die einmal nahezu zertrümmert worden sein musste.
Noïrun rieb sich die verwachsene Narbe mit schmerzlicher Miene. »Sag Olrig, er soll mit seinem kostbaren Ushkany vorbeikommen. Ich muss meinen Schmerz betäuben, sonst mache ich heute Nacht kein Auge zu.«
Rowarn half ihm, das Nachtgewand überzustreifen. Als er gehen wollte, legte der Fürst ihm die Hand auf die Schulter. Er war kleiner als der hochgewachsene Rowarn, aber seine Ausstrahlung füllte das ganze Zelt, ob mit Rüstung oder ohne. »Das ist der Unterschied zwischen uns beiden«, sagte er leise. »Alles, was ich mit mir herumtrage, habe ich nicht für mich empfangen, sondern für mein Land oder für Ardig Hall.« Er ließ ihn los und wandte sich ab, sich die Schulter massierend. »Denk darüber nach.«
Kapitel 9
Am Goldenen Pass
Fürst Noïrun ließ den Tross auf der Hochebene an der Straße anhalten, die direkt in die Berge hineinführte, auf einen Pass zu, der durch einen schmalen Einschnitt in den sonst dicht zusammengedrängten Felsen führte. Auf der anderen Seite lag Valia, eine fremde Welt für die Bewohner von Inniu.
Der Morgen war gerade erst angebrochen, es herrschte eine trübe, müde Stimmung. Nicht einmal eine Krähe regte sich. Gerade erst wich der Frost, und alles troff vor Nässe.
»Fûr Garí«, sagte der Fürst und wies auf das karge, schroffe Gebirge vor sich. »Der kalte Stein, unüberwindlich und abweisend. Nichts wächst hier mehr, wie eine Mauer umgibt er das liebliche Tal, dem ihr nun Lebewohl sagen müsst. Auf der anderen Seite wird manches so sein, wie ihr es kennt, aber nichts mehr vertraut. Ein großes Land erwartet euch, mit vielen Wesen bevölkert, voller Wege und großer Städte, Gefahren und Schrecken. Ihr müsst erst lernen, Freund von Feind zu unterscheiden, und selbst dann ist noch nicht sicher, wem von beidem ihr vertrauen könnt.
Die Straße hier führt über den Galad-Mur, den Goldenen Pass , wie man ihn in Valia nennt. Das heißt so viel wie Pfad der Erleuchtung , denn zu einer bestimmten Stunde bei der Sonnenwende ist der Durchgang hell und strahlend erleuchtet, in goldenes Licht getaucht. Es heißt, Lúvenor habe diesen Pass mit
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