Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
einstecken. Morwen war nicht zimperlich, und die eine oder andere Stelle würde wahrscheinlich bald so blauschwarz und geschwollen sein wie das Gesicht des Mädchens von gestern. Endlich ließ sie von ihm ab und klopfte mit dem Stab auf den Boden. »Esst zu Ende und nehmt dann Aufstellung auf dem abgesteckten Feld da hinten!« Sie deutete auf ein Viereck am Rande des Waldes.
Rowarn rappelte sich leise stöhnend auf. »Das hat dir Spaß gemacht, was?«
»Ich habe dich gewarnt, Zuckerpüppchen«, grinste sie. »Ich will meine Wette nicht verlieren.«
Und so begann schon der nächste Teil der Ausbildung. Während die Luft kühler und feuchter wurde, das Gelände anstieg, die Laubbäume den Nadelgehölzen wichen, wurden die Wege schwieriger und steiniger. Das Gebirge rückte langsam näher, kalt, grau und drohend mit schroffen Felskanten und Bergen, fast so hoch wie der Himmel. Hier hatte der Frühling kaum Einzug gehalten. Stellenweise klammerte sich noch verkrusteter Schnee an den halbgefrorenen Boden. Die Büsche zeigten gerade die ersten schüchternen Knospen, die es sich weitere Tage überlegen würden, ob sie es wagen konnten, aufzubrechen.
Sonne gab es hier nur zeitweise, wenn sie sich einmal zwischen zwei düsteren Baumwipfeln oder zwischen Scharten in den Hängen hindurch ihren Weg bahnen konnte. Nachts drängten sich alle schlotternd aneinander, und morgens herrschte nicht selten noch Frost, brachte klamme Decken und eine dünne Eisschicht auf dem Wassereimer. Die Pferde hatten Raureif im Fell, der Atem dampfte aus ihren Nüstern, und sie wurden zusehends lebhaft, um die Kälte abzuschütteln. Statt lieblicher Frühlingsklänge schallten misstönende Krähenschreie durch die Wälder und brachen sich an den Felswänden.
Die Zeit verging schnell, keiner hatte Muße, einmal innezuhalten und nachzudenken. Wenn sie nicht liefen, hatten sie Waffenübungen, die nicht weniger anstrengend waren. Aber keiner beklagte sich. Allmählich wurde ihre Haltung straffer, sie gingen aufrechter, federnder, entwickelten Muskeln und Ausdauer. Abgesehen von Prellungen und kleineren Verletzungen sahen alle gut aus, auch ihre Augen gewannen zusehends an Glanz. Abends tauschten sie ihre Eindrücke und Scherze, wagten auch schon mal den einen oder anderen Gesang, und sie fingen an, ihre Umgebung anders wahrzunehmen. Sie hörten dem Fürsten besser zu und reagierten schneller. Der eine oder andere ging nun mit auf die Jagd, und Morwen begann dabei mit der Ausbildung zum Fährtenlesen.
Die Wette gegen Rowarn würden sie wohl alle verlieren, wie er es sich versprochen hatte; doch es war hart. Einige Male war er nahe daran, aufzugeben, denn je mehr er bewältigte, desto mehr wurde ihm aufgetragen, genau wie Morwen vorhergesagt hatte. Die Aufgaben wurden schwieriger und mühsamer, der Schlaf immer weniger.
Einmal, im Zelt des Fürsten, stand er kurz davor, in Tränen auszubrechen. Er wandte sich rasch ab und konzentrierte sich darauf, die Sachen ordentlich zu verstauen. Nur beschäftigen, ablenken, nicht an sich selbst denken.
Da sprach ihn der Fürst zum ersten Mal an. Seit dem Aufbruch hatte er außer Befehlen keine anderen Worte für ihn gehabt.
»Setz dich, Rowarn«, forderte Noïrun ihn auf und wies auf einen kleinen Feldschemel mit Ledersitz, der zusammengeklappt werden konnte. Der Fürst hatte sich nach dem Essen eine Pfeife angezündet und bisher schweigend zur Lektüre eines Buches geraucht, während Rowarn seine Dienste verrichtete.
Rowarn setzte sich mit klopfendem Herzen. Er wagte es nicht, den Fürsten anzublicken, weil er Angst hatte, doch noch die Beherrschung zu verlieren. Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war. Je besser es den anderen ging, desto mehr baute er selbst ab. Alles misslang ihm, bei den Kampfübungen bezog er nur Prügel, und er hatte keine Kraft und Ausdauer mehr. Ängstlich wartete er ab, was nun folgen mochte.
Noïrun ließ sich Zeit. Er zerbröselte ein Tabakblatt zwischen den Fingern, streute die Krümel auf die Glut in der Pfeife, zog ein paar Mal fest an und blies duftende Rauchwölkchen in die Luft. Im ganzen Zelt breitete sich ein aromatischer, würziger Geruch aus, der zusammen mit dem Fackelschein und den Kerzen das Gefühl wohliger Behaglichkeit vermittelte, während draußen der Wind kalt von den Bergen herabblies.
Schließlich fixierte er Rowarns Augen. »Für wen tust du das?«, fragte er ruhig.
Rowarn wollte gern sagen »Ich verstehe nicht«, oder »Ich weiß nicht, was Ihr
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