Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
einer halben Stunde, und höchstens in zwei Stunden, wenn es schon dunkel war. Dies war seine ganz persönliche Freiheit, die er noch besaß, und er würde sie ausnutzen. Zumindest würde er nicht am Ende seiner Kräfte ankommen.
Schließlich blieb er stehen und wartete auf den winzigen Punkt hinter ihm auf der Straße, der langsam, stolpernd näher kam.
»Spinnst du?«, keuchte Rayem, als er Rowarn erreicht hatte. »Wieso bleibst du stehen? Willst du unbedingt der Letzte werden?«
»Ich warte auf dich«, sagte Rowarn.
»Wieso das denn?«
»Rayem, du blöder Idiot, wir sind jetzt in einer Truppe. Wir werden irgendwann Seite an Seite in der Schlacht kämpfen. Denkst du nicht, dass es langsam Zeit wird, an die Zukunft zu denken? Wir müssen füreinander da sein. Ich finde es enorm, dass du es überhaupt so weit geschafft hast, obwohl du noch nie in deinem Leben eine solche Strecke gelaufen bist. Ich glaube, vor zwei Tagen bei der Suche nach den Grimwari hast du dich zum ersten Mal überhaupt länger als eine halbe Stunde am Stück bewegt. Wir haben an dem Tag gut zusammengearbeitet, warum sollten wir jetzt damit aufhören?«
»Weil wir uns nicht leiden können, beispielsweise?«
»Du bist wirklich unverbesserlich.« Rowarn packte Rayems Arm, legte ihn sich über die Schultern, und schleppte den Wirtssohn mit sich, mehr tragend als ziehend. Rayem war viel zu erschöpft, um sich zur Wehr zu setzen.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit trafen sie am Lager ein. Ein Feuer brannte, ein Braten drehte sich am Spieß, und Wasser war aus dem Brunnen in der Nähe der Kreuzung geschöpft worden. Die Schar war bereits beim Essen, und für sie gab es auch eine Aufbesserung des Wassers aus Weinschläuchen.
Die Rekruten lagerten irgendwie durcheinander und behandelten ihre wundgelaufenen Füße. Einige hatten nicht einmal Schuhe gehabt, andere hatten die Sohlen durchgelaufen. Sie waren völlig erschöpft und zu kaum einem Wort mehr fähig.
Rowarn setzte Rayem irgendwo ab und machte sich auf den Weg zum Fürsten, den er in dem einzigen Zelt am Platz vermutete. Kurz nach ihm trafen die restlichen Ritter mit den letzten Läufern ein, die unterwegs zusammengebrochen waren. Damit waren es wieder hundertfünfzig, mehr oder weniger am Leben. Rowarn entdeckte auch das Mädchen mit dem geschwollenen Gesicht und nickte ihm zu. Sie lächelte zaghaft und verzerrt, es bereitete ihr Schmerzen, aber sie wollte sich die Freude nicht verderben lassen, es tatsächlich geschafft zu haben.
»Ah, Rowarn«, begrüßte ihn Olrig, der vor dem Zelt saß und eine Pfeife rauchte. »Geh nur rein, er erwartet dich schon lange.«
Langsam trat er in das Zelt, das gerade Platz für einen Stuhl, einen kleinen Tisch und ein Felllager bot. Am Rand hatte noch eine Reisetruhe Platz. Der Fürst saß am Tisch und schrieb mit kratzender Feder auf ein Stück Pergament. Vor ihm standen ein Pokal aus Metall und ein Weinschlauch in einer klappbaren Holzhalterung.
»Rowarn«, sagte er, ohne aufzusehen. »Bring mir etwas zu essen, versorge die Pferde und säubere dann meine Sachen.«
»Ja, Herr.«
Noïrun blickte nun doch auf. »Du siehst recht munter aus«, stellte er fest.
»Das täuscht, Herr«, erwiderte Rowarn. »Aber der Weg war doch kürzer, als ich dachte. Vielleicht ist man damals von der Geschwindigkeit eines Ochsenkarrens ausgegangen.«
»So wird es sein. Beeil dich, ich habe Hunger und noch viel zu tun. Frag Olrig, ob er auch etwas möchte.«
Rowarn verließ das Zelt, und Olrig winkte ab, bevor er den Mund öffnen konnte. »Ich hab schon gegessen, danke. Aber du könntest auch meine Sachen säubern, sie können es vertragen.«
Rowarn nickte. Er ließ sich zeigen, wo ein Teller zu finden war, belud ihn mit Fleisch, Lagergemüse und frischem Zehrbrot und brachte ihn ins Zelt. Unterwegs knurrte sein Magen, und die Zunge klebte ihm am Gaumen, aber er widerstand jeglicher Versuchung.
Während der Rest der Rekruten endlich essen und trinken durfte, ging er der ihm aufgetragenen Arbeit nach; dies war das Los des Knappen. Aber er wollte sich nicht beklagen, nicht schon am ersten Abend. Er hatte gewusst, dass sein verwöhntes Dasein beendet war, sobald er einen Fuß außerhalb des Machtbereichs von Weideling setzte.
Aber eines hatte er vor den Pferden zu erledigen. Er hatte Glück, denn Jelim kam gerade aus der Dunkelheit und steuerte auf das Feuer zu, als er sie abpasste.
»Rowarn«, sagte sie überrascht, als er ihr den Weg vertrat. Im nächsten
Weitere Kostenlose Bücher