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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie wohl für ein Leben führt. Wie es ihr erging in den langen schweren Jahren.
     
    Ich ließ Janice nicht wissen, dass ich arbeitslos war. Nicht, dass ich noch immer versucht hätte, ihr etwas zu beweisen. Mir selbst schon eher. Und Kaitlin ganz sicher.
    Nicht, dass Kait sich geschert hätte, wie ich meine Brötchen verdiene. Mit zehn nahm sie die Angelegenheiten der Erwachsenen als undurchsichtig und uninteressant wahr. Sie wusste nur, dass ich »zur Arbeit« ging und genug verdiente, um ein angesehenes, wenn nicht wohlhabendes Mitglied der Erwachsenenwelt zu sein. Und das war gut so. Es gefiel mir, mich gelegentlich mit Kaits Augen zu sehen: Gefestigt. Berechenbar. Langweilig sogar.
    Aber nicht enttäuschend.
    Und bestimmt nicht gefährlich.
    Ich wollte nicht, dass Kait – oder Janice oder gar Whit – erfuhren, dass man mich gefeuert hatte… zumindest nicht gleich, nicht bevor ich etwas hatte, das ich der Geschichte hinzufügen konnte. Wenn schon kein Happy-End, so doch ein zweites Kapitel, eine Antwort auf die Frage: Was nun?
    Sie kam in Form eines weiteren unerwarteten Anrufs.
    Kein Happy-End, nein. Überhaupt kein Ende. Und ganz gewiss kein glückliches.
     
    Janice und Whit luden mich zum Dinner ein. Sie taten dies vierteljährlich, so wie man sich an einem Versorgungsplan beteiligt oder eine ehrenwerte karitative Einrichtung unterstützt.
    Janice war keine alleinerziehende Mutter mehr und sie musste auch nicht mehr zur Miete wohnen. Indem sie Whitman Delahunt geheiratet hatte, ihren Vorgesetzten aus dem Biochemielabor, hatte sie diese Stigmata abgestreift. Whit war ein ambitionierter Bursche mit ernst zu nehmenden Führungsqualitäten. Als den Westmärkten im Zuge der Asienkrise die biochemischen Billigimporte aus China und Taiwan abhanden kamen, hatte Clarion Pharma naturgemäß prosperieren können. (Whit redete manchmal von den Chronolithen als »Gottes kleinem Schutzzoll«, was Janice ein nervöses Lächeln entlockte). Ich glaube nicht, dass Whit mich besonders mochte, aber er akzeptierte mich als eine Art Hinterwäldler, den ein leidiger Unfall zum Vater von Kaitlin gemacht hatte.
    Ich muss fairerweise sagen, dass er sich – zumindest an diesem Abend – redlich bemühte, nett zu sein. Er machte die Tür seines zweistöckigen Eigenheims auf, stand in einer Aura aus goldenem Licht und grinste. Whit war einer von diesen rundlichen Softies mit der Figur und der Behaarung eines Teddybären. Nicht stattlich, aber das, was Frauen »süß« nennen. Er war zehn Jahre älter als Janice, bekam eine Glatze und stand dazu. Sein Grinsen war so breit, dass es bereits unglaubwürdig wirkte, und seine Zähne waren strahlend weiß. Whit hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den besten Zahnarzt, den besten Kardiologen und den besten Wagen vom ganzen Block. Ob es für Janice und Kaitlin eine Strapaze war, die beste Frau und die beste Tochter zu sein?
    »Hereinspaziert, Scott«, rief er. »Zieh die Stiefel aus und wärm dich am Kamin.«
    Wir speisten im geräumigen Esszimmer, wo Bleiglasscheiben vom Feinsten an ihren Rahmen rüttelten. Kait plauderte ein bisschen über die Schule. (Sie hatte dieses Jahr Probleme, vor allem in Mathe). Whit erzählte mit weitaus größerem Enthusiasmus von seiner Arbeit. Janice fuhr nach wie vor ziemlich monotone Proteinsynthesen bei Clarion und verlor kein Wort darüber. Es schien ihr nichts auszumachen, dass Whit das große Wort führte.
    Kait entschuldigte sich und stürmte ins angrenzende Zimmer, wo der Fernseher schon die ganze Zeit mit dem Wind um die Wette murmelte. Whit holte eine Karaffe mit Brandy. Er servierte die Drinks etwa so linkisch wie ein Westmensch, der eine japanische Teezeremonie zelebrieren möchte. Whit trank nicht eben viel.
    Er sagte: »Ich fürchte, ich habe die ganze Zeit geredet. Wie steht es mit dir, Scott? Wie geht es dir?«
    »Fortune presents gifts not according to the book.« [xii]
    »Scotty rezitiert mal wieder«, lachte Janice.
    »Was ich meine, ist: Man hat mir einen Job angeboten.«
    »Du willst bei Campion-Miller aufhören?«
    »Es ist jetzt zwei Wochen her, dass sich unsere Wege getrennt haben.«
    »Oh! Mutige Entscheidung, Scott.«
    »Danke, Whit, aber danach sah es erst mal nicht aus.«
    Janice schien besser zu verstehen, worum es ging. »Und bei wem bist du jetzt?«
    »Na ja, es ist noch nicht spruchreif, aber – erinnerst du dich an Sue Chopra?«
    Janice runzelte die Stirn. Dann weiteten sich ihre Augen. »Ja! Cornell, richtig?

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