Die Chronolithen
Kaitlin oder ihre Gruppe erwähnt?«
Ashlee lächelte traurig. »Sie stellen vielleicht Fragen. Hat Ihre Kaitlin über so was geredet?«
»Wir haben geredet, ja. Aber Politik war nie ein Thema.«
»Trotzdem, eins zu null für Sie. Adam hat mir nie etwas anvertraut. Überhaupt nichts. Alles, was ich über meinen Sohn weiß, hab ich mir erschleichen müssen. Entschuldigen Sie, ich glaube, ich will noch einen Kaffee.«
Vermutlich brauchte sie eine Zigarette. Sie blieb kurz am Tresen stehen und bat um einen doppelten Espresso, dann verschwand sie in Richtung Toilette.
Schließlich kam sie zurück und ließ sich seufzend nieder. »Nein, Adam hat nie erzählt, wann, wo und mit wem er sich getroffen hat. Adam ist siebzehn, aber wie gesagt, er ist nicht naiv. Adam passt auf wie ein Schießhund. Aber, wie gesagt, ab und zu hab ich was spitzgekriegt. Ich wusste, er sympathisierte mit einem dieser Copperhead-Clubs draußen vor der Stadt, aber eine Zeit lang schien das fast ein Segen zu sein. Diese Leute hatten, wie soll ich sagen, Hintergrund. Perspektive. Vermutlich hatte ich im Hinterkopf, er würde Freunde finden und daraus könnte sich was ergeben, eine günstige Gelegenheit für später, wenn dieser ganze Zeitreisequatsch mal vorbei ist, entschuldigen Sie. Ich dachte, vielleicht findet er ein Mädchen oder irgendein Vater bietet ihm einen Job an.«
Mir fielen die Worte von Janice ein: Was hätte ich tun sollen, sie wegsperren?
Janice hatte sich ihre Tochter bestimmt nicht in Gesellschaft eines Adam Mills vorgestellt.
»Ich änderte meine Meinung, als ich eins seiner Telefongespräche mithörte. Er redete über diese Leute – zu denen wohl auch Ihre Kait gehörte. Und er war einfach nur bissig und giftig. Er sagte, in dem Club wären lauter…« Sie senkte beschämt den Kopf. »Lauter weiße bourgeoise Jungfern.«
Sie musste meine Reaktion bemerkt haben. Ashlee reckte ihr Kinn und nahm Haltung an. »Ich liebe meinen Sohn, Mr. Warden. Ich mache mir keine Illusionen über Adam – oder die Rolle, in die er sich geflüchtet hat, außer er dreht sich um hundertachtzig Grad. Adam hat sehr, sehr große Probleme. Aber er ist mein Sohn, und ich liebe ihn.«
»Dafür habe ich volles Verständnis«, sagte ich.
»Das hoffe ich.«
»Beide sind vermisst. Nur darüber müssen wir uns jetzt Sorgen machen, alles andere kann warten.«
Sie runzelte die Stirn, wohl wegen des »wir«. Ashlee war es gewöhnt, mit ihren Schwierigkeiten auf ihre Weise fertig zu werden; deshalb war sie aus Regina Lees Veranstaltung geflohen.
Ich allerdings auch.
Sie sagte: »Ich wäre offengestanden stocksauer, wenn Sie vorhätten, mich abzuschleppen, Mr. Warden.«
»Das war nicht meine Absicht.«
»Weshalb ich Sie um Ihre Telefonnummer bitte, damit wir wegen Adam und Kaitlin in Verbindung bleiben. Ich habe zwar keine harten Fakten zu bieten, aber, wenn Sie mich fragen, häkelt dieses Grüppchen an irgendeiner bescheuerten Wallfahrt, weiß der Himmel wohin. Also glucken sie zusammen. Also sollten wir in Verbindung bleiben. Ich will nur nicht missverstanden werden.«
Ich gab ihr meine Handynummer, sie mir die Nummer ihres Hometerminals.
Sie trank ihren Espresso aus und sagte: »Das waren ziemlich schlechte Nachrichten für Sie.«
»Nicht nur«, sagte ich.
Sie stand auf. »Nun denn, Mr. Warden, es hat gut getan, mit Ihnen zu reden.« Sie drehte sich um und ging aus der Tür. Ich sah ihr durchs Fenster nach, wie sie mit forschen Schritten den halben Häuserblock zwischen zwei Lichtinseln zurücklegte, um den Schlüssel in die Haustür direkt neben dem chinesischen Restaurant zu stecken. Ein Apartment über einem Restaurant. Ich stellte mir ein fadenscheiniges Sofa vor, vielleicht eine Katze. Eine Rose in einer Weinflasche oder ein gerahmtes Poster an der Wand. Die Echos ihres verschwundenen Sohnes.
Ramone Dudley, der für vermisste Personen zuständige Polizeileutnant, erklärte sich bereit, mich am Nachmittag des nächsten Tages in seinem Büro zu empfangen. Die Unterredung war von kurzer Dauer.
Dudley war ein sichtlich überarbeiteter Schreibtischpolizist, der zu oft die gleiche Hiobsbotschaft verkündet hatte. »Diese Kids«, sagte er (als seien diese Kids eine homogene Masse), »sie haben keine Zukunft und das wissen sie. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Die Wirtschaft ist am Boden, das Land ist verschuldet. Was haben wir ihnen denn zu bieten? Alles, was sie über die Zukunft hören, ist Kuin, Kuin, Kuin. Zum Teufel mit Kuin. Wenn
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