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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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meine?«
    »Meine Sorge gilt Kaitlin.«
    »Ich weiß nicht, ob du Kait damit einen Gefallen tust.« Sie seufzte. »Die Polizei erwähnte eine Elterngruppe, vielleicht willst du da mal vorbeisehen.«
    »Elterngruppe?«
    »Eltern, deren Kinder abgängig sind, meistens Kinder mit kuinistischen Ideen. Hadsch-Eltern, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Das Letzte, wonach ich suche, ist eine Selbsthilfegruppe.«
    »Du könntest Vergleiche anstellen, in Erfahrung bringen, was andere unternehmen.«
    Ich war skeptisch. Doch sie zippte mir die Adresse und ich kopierte sie in mein Adressverzeichnis.
    »Inzwischen«, sagte sie, »werde ich mich für deinen Auftritt entschuldigen.«
    »Hat er sich entschuldigt, dass er Kait da mit hineingezogen hat?«
    »Das geht dich nichts an, Scott.«

 
ZWÖLF
     
     
    Gut einen Monat nach dem Jerusalem-Ereignis hatte ich einen Arzt aufgesucht und mit ihm ein langes Gespräch über Genetik und Wahnsinn geführt.
    Mir war der Gedanke gekommen, Sues Logik des Zufalls könne eine persönliche Komponente haben. Was sie sagte, hieß doch mit anderen Worten, dass unsere Erwartungen die Zukunft prägen, und dass diejenigen von uns, die extremen Tau-Turbulenzen ausgesetzt sind, die Zukunft mehr prägen könnten als die meisten anderen.
    Und wenn das, was der Welt widerfuhr, Irrsinn war, könnte einiges davon aus meinen dunkelsten seelischen Verliesen stammen? Hatte ich von meiner Mutter eine fehlerhafte Gensequenz geerbt und war es mein eigenes latentes Irresein, das Kugel- und Glasgarben in eine Hotelsuite auf dem Mt. Scopus geschickt hatte?
    Besagter Arzt nahm eine Blutprobe und war bereit, in meinem Genom nach Markern für eine spät ausbrechende Schizophrenie zu fahnden. Aber so einfach sei das nicht, meinte er. Denn Schizophrenie an sich sei keine Erbkrankheit, genetisch bedingt sei lediglich die Disposition dazu. Grund genug, auf eine Gentherapie zu verzichten. Es gebe komplexe milieubedingte Auslöser. Er könne mir nur sagen, ob ich die Tendenz zu einer spätausbrechenden Schizophrenie geerbt habe – ein eher belangloser Befund ohne jeden Vorhersagewert.
    Ich musste wieder daran denken, als ich das Motel-Terminal benutzte, um eine Weltkarte aufzurufen, auf der sämtliche Chronolithen verzeichnet waren. Wenn es denn Irrsinn war, hier waren seine greifbaren Symptome. Asien war eine rote Zone, zerfiel in fieberhafter Anarchie, obwohl sich in Japan, wo die regierende Koalition mit knapper Not ein Plebiszit überstanden hatte, und in Beijing, nicht aber in ländlichen Gegenden Chinas oder im Landesinnern, fragile nationale Regierungen hielten. Der indische Subkontinent war gezeichnet von Chronolithen, auch der Nahe Osten, nicht nur Jerusalem und Damaskus, sondern auch Bagdad, Teheran und Istanbul. Europa war von der physischen Manifestation des Kuinismus verschont geblieben, sie schien am Bosporus zum Stillstand gekommen zu sein, nicht aber ihre Fernwirkung: Rivalisierende »kuinistische« Splittergruppen hatten sich in Paris und Brüssel massive Straßenschlachten geliefert. Nordafrika hatte fünf katastrophale Nadelstiche hinter sich. Letzten Monat noch hatte ein kleiner Chronolith das äquatoriale Kinshasa entkernt. Der Planet war krank, sterbenskrank.
    Ich schloss das Kartenfenster und wählte eine der Nummern, die Janice mir gegeben hatte: ein Polizeileutnant namens Ramone Dudley. Sein Interface sagte, er sei zur Zeit nicht erreichbar, aber mein Anruf werde zwecks Rückruf gespeichert.
    Während ich wartete, gab ich die andere Nummer ein, die Janice mir aufgedrängt hatte: Die »Selbsthilfegruppe« entpuppte sich als das Hometerminal einer Frau mittleren Alters namens Regina Lee Sadler. Sie trug einen Bademantel, als sie antwortete, und ihr Haar war tropfnass. Ich entschuldigte mich, sie beim Duschen gestört zu haben.
    »Macht überhaupt nichts«, sagte sie mit einer Altstimme so dunkel wie ihre Hautfarbe. »Es sei denn, Sie sind von der gottverdammten Inkassoagentur, entschuldigen Sie die Ausdrucksweise.«
    Ich erzählte ihr die Sache mit Kaitlin.
    »Ja«, sagte sie, »ich kenne den Fall. Ein paar betroffene Eltern haben sich uns angeschlossen – hauptsächlich Mütter. Die Väter sind uns gegenüber eher skeptisch, weiß der Himmel. Sie scheinen mir nicht zu diesem halsstarrigen Clan zu gehören?«
    »Ich war nicht hier, als es passierte.« Ich erzählte ihr von Janice und Whit.
    »Sie sind also ihr Briefvater, wenn ich das richtig sehe.«
    »Nicht, wenn es nach mir ginge. Mrs. Sadler,

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