Die Chronolithen
einem Hadsch sind, dann wären sie doch besser in einem Wagen aufgehoben. Auch Jeff.«
»Jeff ist kein Kind mehr«, sagte Eleanor Helvig leise.
»Aber Sie würden doch alles tun, damit er nicht trampt?«
»Natürlich…«
»Wo ist das Auto Ihres Mannes, Mrs. Helvig?«
»Er ist damit zur Arbeit. Er ist noch nicht zurück, aber…«
»Und Jeffs Auto?«
»In der Garage.«
»Und Ihres?«
Sie zögerte lange genug, um Hitchs Argwohn zu rechtfertigen. »Es ist zur Reparatur.«
»In welcher Werkstatt genau.«
Sie antwortete nicht.
»Wir müssen das nicht vor der Polizei vertiefen«, sagte Hitch.
»Im Auto ist er besser aufgehoben. Das haben Sie selbst gesagt.«
Sie flüsterte inzwischen.
»Das ist zweifellos richtig.«
»Jeff hat kein Wort von… einer Wallfahrt gesagt, aber als er mich um den Wagen bat, hätte mich das stutzig machen müssen. Sein Vater meinte, das brauche die Polizei nicht zu wissen. Das würde Jeff nur zum Kriminellen machen. Oder uns – wegen Beihilfe. Er kommt schon wieder. Sie werden sehen.«
»Sie könnten uns helfen…«, begann Hitch.
»Alles steht doch auf dem Kopf, finden Sie nicht? Kann man den Kindern einen Vorwurf machen?«
»Geben Sie uns die Zulassung und die GPS-Signatur des Wagens. Die Polizei erfährt nichts davon.«
Sie griff geistesabwesend nach ihrer Handtasche, dann zögerte sie. »Wenn Sie die Kinder finden, sind Sie dann auch nett zu Jeff?«
Das konnten wir ihr versprechen.
Hitch telefonierte mit Morris Torrance, der den Wagen bis El Paso verfolgt hatte. Das GPS lag in einem lokalen Recycling-Hof; der Rest des Wagens fehlte, womöglich verkauft oder gegen einen sicheren Grenzübertritt getauscht. »Sie sind unterwegs nach Portillo«, sagte Hitch, »ich bin mir fast sicher.«
»Nichts wie hin«, sagte ich.
Er nickte. »Morris bucht den Flug. Wir müssen uns beeilen.«
Beeilen. »Es ist also mehr als ein Gerücht? Portillo, meine ich. Der Chronolith.«
»Du hast es erfasst«, sagte er tonlos. »Es ist mehr als ein Gerücht. Die Zeit drängt.«
FÜNFZEHN
An der Ausfahrt nach Portillo wurden wir von Soldaten abgewiesen: Die Stadt sei bereits unbewohnbar, voller Amerikaner, die wie Hunde auf den Straßen hockten, eine Schande. Wie zur Bestätigung winkten sie einen Konvoi aus Rot-Kreuz-Transportern durch.
Hitch diskutierte nicht lange und folgte dem mit Schlaglöchern und Rissen durchsetzten Highway ein paar Meilen weiter in südlicher Richtung. Es gab, so Hitch, noch einen anderen Weg nach Portillo, nicht viel mehr als ein Viehtrieb, aber durchaus befahrbar für den zerbeulten Van, den wir am Flughafen gemietet hatten.
»Solche Wege sind sowieso sicherer«, meinte er. »Vorausgesetzt man hält nicht an.« Solche Wege hatte er schon immer bevorzugt.
»Warum ausgerechnet hier?«, wunderte sich Ashlee, die durchs Fenster in die öde Landschaft von Sonora stierte: Agaven, gelbes struppiges Gras und hin und wieder eine Viehranch, die ums Überleben kämpfte. [xxix]
Die Kuin-Rezession hatte Mexiko schwer zugesetzt, hatte die Verdienste der Gonsalvez-Regierung zunichte gemacht und der ehrwürdigen und korrupten Partido Revolucionario Institutional wieder in den Sattel geholfen. Die Armut der Landbevölkerung war inzwischen wieder auf dem Niveau, wie es vor der Jahrtausendwende gewesen war. Gleichzeitig war Mexico City die Stadt mit der größten Bevölkerungsdichte auf dem Kontinent, und dazu noch die mit der höchsten Umweltbelastung und der höchsten Verbrechensrate. Portillo dagegen war ein staubiges Städtchen ohne ersichtliche strategische oder militärische Bedeutung, eines unter vielen, die verwelkten und dahinsiechten.
»Es gibt mehr Chronolithen außerhalb der Ballungszentren als innerhalb«, erklärte ich Ashlee. »Die Durchbruchsorte scheinen fast planlos, bis auf Fanale wie Bangkok oder Jerusalem. Warum, weiß keiner. Vielleicht ist es einfacher, einen Chronolithen dahin zu setzen, wo mehr Platz ist. Oder die kleineren Monumente werden schon errichtet, bevor die Städte an die Kuinisten fallen.«
Wir hatten eine Kühlbox mit Wasserflaschen und zwei Kartons Proviant dabei. Mehr als genug für drei Leute. Zuhause in Baltimore glich Sue Chopra nach wie vor Daten aus ihrem inoffiziellen Netzwerk an Informanten und aus der jüngsten Generation von Überwachungssatelliten ab. Die Erkenntnisse über Portillo waren nicht bekannt gemacht worden. Die Behörden fürchteten eine Flut von Pilgern. Aber genau das hatten Internetgerüchte trotz
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