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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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deine Sterne ganz gut zurecht.«
    Auf einmal spürte Maia, wie der ganze aufgestaute Haß gegen ihre ehemaligen Arbeitgeberinnen in ihr aufwallte. »Der Teufel soll sie holen! Lysos verfluche die Lerners! Ich hoffe, ihre Fabriken brennen allesamt ab!« schimpfte sie.
    Renna, der rechts von ihr geritten war, runzelte die Stirn. »Maia, was sagst du denn da? Du meinst doch nicht etwa…?«
    »Das ist mir ganz egal!« Sie schüttelte den Kopf, zitternd vor Wut. »Calma Lerner hat mich Tizbes Bande ausgeliefert, als wäre ich ein Stück Roheisen im Sonderangebot. Soll sie verrotten!«
    Thalia und Kiel tauschten besorgte Blicke. Doch Maia bereitete es ein bösartiges Vergnügen, sie schockiert zu haben. Renna kniff die Lippen zusammen und schwieg. Aber Baltha reagierte direkter, zügelte ihr Pferd und lachte zynisch. »Dein Wort im Ohr der Stratos-Mutter, Fräuleinchen!« Damit griff sie in eine ihrer Satteltaschen und zog ein schmales, in Leder gewickeltes Rohr hervor, ihr Teleskop. »Hier, nimm.«
    Maia überwand ihren Widerwillen, griff nach dem Gerät und hielt es in die Richtung, die Baltha ihr andeutete. »Weiter, den Hang hinauf, dann nach Westen und ein bißchen nördlich. Den Grat entlang. Richtig. Siehst du es?«
    Da Maia es noch nicht ganz schaffte, die leisen Schnaufbewegungen des Pferdes auszugleichen, zeigte ihr das Fernrohr nur verschwommene Bilder. Aber dann entdeckte sie endlich einen klaren Farbfleck und erkannte einen bunten Stoff, der von einer großen, schwankenden Stange herab im Wind flatterte. Sie suchte weiter, und noch mehr Flaggen kamen zu beiden Seiten in Sicht.
    »Gebetsfahnen«, begriff sie endlich. In den meisten Gegenden von Stratos wurden sie an Feiertagen und für Zeremonien benutzt, aber bei den Perkiniten, das wußte Maia, hißte man sie auch, um Geburten anzuzeigen…
    … und bei Todesfällen.
    »Da hast du deine Calma Lerner, da oben, Fräuleinchen. Am Verrotten, genau wie du’s dir gewünscht hast. Zusammen mit der Hälfte ihrer Schwestern. Wird in den nächsten ein, zwei Jahren sicher wenig Stahl geben hier in Long Valley, denk ich.«
    Maia schluckte. »Aber… wie ist das passiert?« Sie wandte sich an Kiel und Thalia, die beide zu Boden blickten. »Was ist passiert?« wiederholte sie.
    Thalia zuckte die Achseln. »Bloß ein Grippevirus, Maia. Vor ein paar Wochen gab’s jede Menge Nieserei in der Stadt, keine große Sache. Als die Sache in die Feste kam, mußte sich eine von den Vararbeiterinnen ein paar Tage ins Bett legen, aber…«
    »Aber dann ist ein ganzer Haufen Lerners abgekratzt. Einfach so!« rief Baltha und schnippte vergnügt mit den Fingern.
    Aber Maia fühlte sich gräßlich – ein Stein lag ihr im Magen, ein Kloß saß ihr im Hals –, aber sie bemühte sich verzweifelt, sich nichts anmerken zu lassen. Sie wußte, daß ihr Gesicht bestimmt kalt und versteinert wirkte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Renna schauderte.
    Ich kann es ihm nicht übelnehmen. Ich bin schrecklich.
    Plötzlich erinnerte sie sich daran, wie sie als Kind die Geschichten gehört hatte, die die jüngeren Lamai-Mütter an warmen Abenden den Sommergören erzählten, oben auf der Brustwehr. Oftmals war die Moral dieser grausigen Geschichten: »Sei vorsichtig mit deinen Wünschen. Manchmal gehen sie in Erfüllung.« Vernunftsmäßig war Maia klar, daß sie mit ihrem Wutausbruch nicht Tod und Verderben über den Clan der Metallarbeiterinnen gebracht haben konnte. Doch daß sie sich zu einer solchen Tirade hatte hinreißen lassen, bestürzte sie trotzdem. Noch vor ein paar Augenblicken hätte sie ohne Skrupel, ohne Mitleid ihren Feinden jedes Unglück gegönnt. War das moralisch gesehen das gleiche, als hätte sie die Lerner-Frauen eigenhändig umgebracht?
    Es kommt durchaus vor, daß eine Krankheit einen halben Stamm auslöscht, dachte sie im Bemühen um eine Erklärung. Ein Sprichwort lautete: »Wenn eine Klonfrau niest, ziehen ihre Schwestern das Taschentuch.« Es gründete sich auf eine Erfahrung, die Leie und Maia als Zwillinge ebenfalls gemacht hatten – daß eine Anfälligkeit für Krankheiten oft in den Genen lag. Bei den Lerners war erschwerend hinzugekommen, daß sie fernab von allen medizinischen Einrichtungen lebten, die in Long Valley zur Verfügung standen. Wenn alle gleichzeitig krank im Bett lagen, wer sorgte dann für die Lerners? Die Vararbeiterinnen, die gegenüber ihren Arbeitgeberinnen nicht gerade vor Zuneigung platzten.
    Was für ein Abschied… alle auf einmal,

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