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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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jetzt, da sie endlich an den Erfolg ihrer Flucht glauben konnte, schien die Landschaft ihr eine ganz andere Botschaft zuzuflüstern – als wollte sie Maia zu guter Letzt doch noch ihre herbe Schönheit schmackhaft machen.
    Sommerstürme brausen über mich hinweg. Der Wind und die glühende Sonne trocknen meinen weichen Boden aus. Im Winter läßt der Frost die verstreuten Kieselsteine zu Staub zerspringen. Durch den armen Lehm tropft und sickert das Wasser. Ich blute.
    Aus dem, was Wind und Sonne und Eis übriglassen, brennen die Menschen Ziegel, oder sie brechen es mit eisernen Pflugscharen auf und lassen goldenes Korn darauf wachsen, das sie übers Meer verschiffen.
    Wo sind meine tänzelnden Lingaruhs geblieben? Die grasenden Pantotheren, die anmutigen Spiralböcke, die in Scharen über mich hinwegzogen? Gegen Rinder und Mäuse konnten sie sich nicht durchsetzen. Und wenn sie es doch einmal schafften, griffen gleich die Menschen ein und züchteten ihnen Eigenschaften an, die ihren Zwecken dienlich waren. Neue Hufspuren überziehen meine Pfade, während die alten im Zoo verschwinden.
    Doch was macht das schon? Laßt die Eindringlinge die heimischen Kreaturen ersetzen, die andere vor ihnen vertrieben haben. Laßt meine Böden zu Stein werden, zu Sand und wieder zu Böden. Welchen Unterschied macht die ständige Veränderung, die durch das Sieb der Zeit rieselt?
    Ich warte, ich dauere fort, mit steinerner Geduld.
     
    Erst drängelte Renna, dann Kiel, Maia solle sich auch dort hinlegen, wo sich bereits ein halbes Dutzend Frauen wie Klafterholz eng aneinanderschmiegte, alle auf der gleichen Seite, weil kein Platz zum Umdrehen da war. Doch die unbequeme Lage hinderte keine von ihnen am Schlafen. In Thallas Worten waren das die verwöhnten Klonfrauen, die sich schon von einer Erbse unter der Matratze gestört fühlten. Ihr rhythmisches Ein- und Ausatmen übertönte bald das leise Pfeifen der elektrischen Motoren.
    »Nein danke«, entgegnete Maia auf die gutgemeinte Aufforderung ihrer Freunde. »Ich kann ohnehin nicht schlafen. Jetzt nicht. Noch nicht.«
    Kiel nickte nur und machte es sich neben der Bremsbox bequem, um im Sitzen ein wenig zu dösen. Auch Renna war anscheinend am Ende seiner Kraft. Nachdem er die arme Lokführerin eine halbe Stunde lang mit allerlei Fragen belästigt hatte, ließ er sie – was für ihn ganz untypisch war – plötzlich in Ruhe und ließ sich auf die Decken sinken, die auf dem breitesten Schlafplatz, der Deckplatte über dem leise klimpernden Getriebegehäuse, für ihn ausgelegt worden waren. Dieses Schlaflied ließ ihn in kürzester Zeit in das Schnarchkonzert der anderen einstimmen.
    Maia schnallte ihren Sextanten ab und nahm ein paar vertraute Sterne ins Visier. Obgleich sie vor Erschöpfung und wegen des Geruckels der Lokomotive das Gerät kaum halten konnte, war sie nun sicher, daß sie sich in die richtige Richtung bewegten. Natürlich schloß auch das die Möglichkeit des Verrats nicht hundertprozentig aus – werde ich allmählich etwa zynisch? überlegte sie nüchtern –, aber es beruhigte sie zu wissen, daß sie mit jeder Sekunde dem Meer ein wenig näher kamen. Sie unterdrückte ihre bösen Vorahnungen, so gut sie konnte. Kiel und die anderen sind besser informiert als ich, und sie machen einen recht zuversichtlichen Eindruck.
    Maia war nicht die einzige Schlaflose, die der Lokführerin schweigend Gesellschaft leistete. Baltha stand am Backbordfenster Wache, streichelte ihr Brecheisen wie eine kurze Fanghellebarde, als wäre sie ganz erpicht darauf, wenigstens einen Feind damit niederzuschlagen, ehe die Flucht für sie erfolgreich war. Einmal warf sie Maia einen langen, finsteren Blick zu. Die meiste Zeit jedoch blieb jede für sich an ihrer jeweiligen kühlen Glasscheibe; Baltha hielt vorne Ausschau nach Gefahr, während Maia aus dem Steuerbordfenster spähte.
    Dabei hätte man in der Dunkelheit mit bloßem Auge ohnehin nicht viel erkennen können. Bei diesem Tempo würden wir kaum etwas sehen, bevor wir damit zusammenstoßen.
    Mondschein glitzerte auf den schnurgeraden Schienen, die hypnotisierend unter ihren schweren Augenlidern vorbeisausten. Maia schloß die Augen – nur ein, zwei Minuten. Doch die Bilder kamen nicht zum Stillstand. Sie sah die Lokomotive, die durch die schimärenhafte Steppe flog, die zuerst nur wie eine mondscheindurchflutete Ebene wirkte, dann aber zunehmend das Aussehen einer Traumlandschaft annahm. Die sanften, gefrorenen Wellen der Prärie kamen

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