Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
reagierten.
    In diesem Fall ging es um etwas weniger Kompliziertes. Aus Zeitgründen – und um Renna und Maia ihre Hilflosigkeit noch ein bißchen mehr unter die Nase zu reiben –, schlugen der Juniorkoch und der Kabinenjunge vor, jede Seite solle pro Zug statt einer jeweils vier Reihen auslegen. Da sie dieses Mal selbst anfingen, war es ein großzügiges Angebot – als ließe man den Gegner beim Schach einen Turm nach Belieben plazieren. Auf diese Weise konnten Maia und Renna große Bereiche der gegnerischen Strategie erkennen und mögliche Veränderungen der eigenen besprechen, bevor sie ihre jeweiligen Reihen auslegten.
    Nervös beobachtete Maia, wie die beiden Jungen ihre Vierecke postierten. Sekunden verstrichen, bis sich der Stein in ihrem Magen endlich auflöste. Sie sind ja doch nicht so besonders einfallsreich, dachte sie. Oder sie sind zu faul. Schon jetzt zeigte sich ihre Oasenzone, geschützt von einer mit Stacheln versehenen Standardfiguration namens ›Langzaun‹.
    Maia fand es etwas verwirrend, so lange nur herumzustehen und das Spielfeld zu lesen. Am Abend zuvor, bei ihrem ersten Versuch, hatte sie ein paar wirklich inspirierte Momente erlebt, war aber zu aufgeregt gewesen, um sie zu genießen oder einfach loszulassen und die Entfaltung des Spiels zu beobachten. Seit ihrer seltsamen Zustandsveränderung am Nachmittag und auch aufgrund der langen Diskussion mit Renna, bei der sie verschiedene Spielstrategien ausprobiert hatten, war das anders geworden. Nun fühlte sie sich distanziert und doch ganz bei der Sache, als wäre ein Bann gebrochen und hätte etwas freigesetzt, das über bloße Neugier hinausging.
    Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war es nach dem grausigen Gespräch mit Baltha geschehen, als sie an der weiblichen Kameradschaft endgültig verzweifelt war. Aber auch das erklärte nicht vollständig ihre plötzliche Leidenschaft für das Spiel des Lebens.
    Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Ich bin einfach nicht normal.
    Und das nicht erst seit dieser Reise, auch nicht seit ihrer Begegnung mit Renna oder seit ihres Navigationsstudiums mit dem alten Bennett. Schon mit drei Jahren war Maia liebend gern zum Pier hinuntergegangen und hatte zugesehen, wie sich die Matrosen den Bart kratzten und über eine bestimmte Anordnung von klickenden Spielsteinen nachgrübelten. Viele Frauen hatten Freude an dem Tanz von Farben und Formen, aber die Art, mit der die Städterinnen das Spiel so nachsichtig akzeptierten, implizierte immer auch etwas anderes. Niemand sagte frei heraus, das Spiel sei nichts für Mädchen. Es genügte schon der Hauch freundlicher Verachtung, vor allem, weil Leie sie teilte. In dem Bemühen, sich anzupassen, hatte Maia die Ausdrücke freundlicher Geringschätzung nachgeäfft und ihre frühe Faszination unterdrückt – das erkannte sie jetzt ganz deutlich.
    Ich habe Muster und Rätsel schon immer geliebt. Vielleicht ist alles ein Fehler. Ich hätte ein Junge werden sollen.
    Aber sie nahm diesen flüchtigen, sarkastischen Gedanken nicht ernst, denn sie fühlte sich durch und durch wie eine Frau. Ganz bestimmt kam einfach ein etwas ausgefallenes Talent zum Vorschein. Eines, für das es leider im Leben nicht viel Verwendung gab. Jedenfalls kannte sie keine lukrative Nische in der stratoinischen Gesellschaft für eine Navigatorin, die außerdem noch Männerspiele spielen konnte.
    Keine Nische. Keine goldene Straße, auf der ich es zur Matriarchin bringen könnte. Aber vielleicht ein Leben. Naroin ist die meiste Zeit des Jahres auf See und scheint ganz gut zurechtzukommen.
    Die Vorstellung, Matrosin zu werden, war seltsam. Sicher, die rauhe Kameradschaft, die Naroin und die anderen Frauen der Besatzung mit den Seemännern verband, hatte durchaus etwas Anziehendes. Aber ein Leben lang Leinen zurren und Kurbeln drehen…? Maia schüttelte den Kopf.
    Inzwischen hatten sich die ersten Zuschauer eingefunden. Die beiden Jungen legten ihre Spielsteine aus, erst ganz eilig, dann gerieten sie ins Zögern und diskutierten eine Weile, einigten sich und machten weiter. Maia unterdrückte ein Gähnen, steckte die Hände tief in ihre Manteltaschen und trat von einem Fuß auf den anderen, um ihre Durchblutung in Gang zu halten. Es war ein milder Winterabend. Niedrige, dunkle Wolkenbänke konservierten die Wärme des Tages. Während die Wolken am westlichen Horizont noch in Ocker und anderen Sonnenuntergangsfarben schimmerten, wurden die Laternen über dem Spielfeld auf der Ladeluke

Weitere Kostenlose Bücher