Die Clans von Stratos
angezündet.
Auf dem Quarterdeck sog der Steuermann die Luft ein und tauschte einen Blick mit dem Kapitän, der kurz nickte. Das Steuerrad wurde um ein paar Grad gedreht. Kurz darauf nahm das Knarren der Masten einen anderen Rhythmus an. Ohne ausdrückliche Aufforderung schlenderten zwei Matrosen zu den Kurbeln an der Steuerbordseite und zurrten damit die Segel fest.
Maia wunderte sich. War den Männern eine Empfindlichkeit für Wind und Wetter angeboren? Dienten deshalb keine weiblichen Offiziere auf den Ozeanschiffen? Sie hatte immer angenommen, es wäre etwas Genetisches. Aber andererseits dachte ich auch, Männer könnten nicht reiten, bis Renna es einfach getan hat, und Männer haben auch Zeppeline geflogen, vor langer Zeit, ehe es ihnen verboten wurde.
Vielleicht ist es nur ein weiterer Mythos, der sich immer wieder selbst bestätigt.
Aber das war eine rein hypothetische Frage. Selbst wenn Frauen wie sie genauso dazu fähig wären, war es mit fünf Jahren viel zu spät, die Schiffahrt zu erlernen. Nur weil ich weiß, wie man Sterne anpeilt, bin ich noch lange nicht dazu ausersehen, eine tausendjährige Tradition weiterzureichen. Außerdem würden die Männer Zeter und Mordio schreien, wenn eine Frau über den Rang des Bootsmanns hinaus befördert würde. Die Männer hatten in der stratoinischen Gesellschaft nur auf sehr wenige Nischen Anspruch, deshalb würden sie diese Bastion auch nicht kampflos der ohnehin überwältigenden weiblichen Mehrheit überlassen.
Hör dir mal zu! Vor einer Minute warst du noch bereit, dich mit einem ruhigen, gemütlichen Leben zufriedenzugeben, wie Naroin. Jetzt beschwerst du dich, weil man dir keine Offiziersabzeichen um den Arm legt! Maia kicherte in sich hinein. Noch ein Beweis für deine miese Erziehung. Eine Lamatia-Ausbildung hat notgedrungen auch ein Ego in Lamai-Größe zur Folge.
»In Ordnung. Jetzt sind wir an der Reihe.«
Bei Rennas Worten sah Maia hinüber zur anderen Seite des Spielfelds, wo ihre Gegner die ersten vier Reihen ausgelegt hatten. Trotz ihrer begrenzten Erfahrung sah Maia, daß es eine absolut einfallslose Anordnung war. Nicht daß das für die Strategie, die Renna und sie sich ausgedacht hatten, eine Rolle spielte. Maia erwiderte das ermunternde Lächeln ihres Partners. Dann trennten sie sich, und Renna begann an der linken Ecke auszulegen, während Maia sich die rechte vornahm.
Naroin hatte sich bereit erklärt, die aufgezogenen Spielsteine für Maia heranzutragen, und reichte ihr jetzt, sobald Maia die Hand ausstreckte, mit geschickten Bewegungen eine Figur nach der anderen. Ein paar Mal mußte Maia innehalten, um den Plan zu Rate zu ziehen, auf den sie und Renna sich geeinigt hatten, aber sie hielt die Skizze dabei stets so zusammengerollt, daß die Zuschauer in der Takelage nicht heimlich einen Blick darauf werfen konnten.
Ich muß aufpassen, daß ich nichts vergesse, schärfte sie sich ein. Wenn man so nahe am Spielfeld war, verlor man oft den Überblick. Und ein einziger Spielstein an der falschen Stelle konnte eine Formation schon dem Untergang weihen – als wären die Nieren bei einem Menschen an der falschen Stelle oder die Zellen produzierten ein falsches Protein. Nervös kaute Maia auf der Unterlippe herum, während sie sich immer näher zur Mitte der Reihe vorarbeitete, wo sie mit Renna zusammentreffen würde. Als sie fertig war, konnte sie nur noch abwarten und sich Sorgen machen, während auch er seine letzten Steine auf das Feld plazierte. Schließlich erhob er sich aus seiner gebückten Haltung und streckte sich. Nebeneinander stehend überprüften sie ihr Werk.
Die beiden Teile waren miteinander verzahnt, und dadurch, daß sie ihren ersten Zug so rasch gemacht hatten, war den Gegnern wenig Zeit zum Nachdenken geblieben. Die beiden Jungen runzelten die Stirn. Ganz offensichtlich waren sie von Maias und Rennas Anordnung verblüfft.
Gut! Ich habe schon befürchtet, meine Idee wäre zu konventionell… eine Formation, die jeder Knabe im ersten Jahr auf See lernt.
Natürlich bedeutete das nicht, daß der Plan funktionieren würde, sondern lediglich, daß sie und Renna einen Überraschungseffekt verbuchen konnten. Der Juniorkoch und der Kabinenjunge machten einen ziemlich verwirrten Eindruck, als sie ihre nächsten vier Reihen auszulegen begannen. Naroin stieß Maia an. Lächelnd zeigte sie zum Quarterdeck, wo am Abend zuvor die Schiffsoffiziere gelangweilt an der Reling gelungert und zugesehen hatten, wie die beiden Amateure
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