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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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den vornehmen Akzent der Mechant-Küste ablegen und den Männerdialekt lernen müssen.
    Bei näherem Nachdenken war es natürlich auch vorstellbar, daß Brod mit Zustimmung seiner Besatzungsgenossen hiergelassen worden war – damit er ein bißchen Luft abließ. Vielleicht wollten sie ihn auch schlicht und einfach loswerden. Irgendwie hegte Maia gewisse Zweifel daran, daß Brod aus dem richtigen Holz für einen ordentlichen Piraten geschnitzt war. Möglicherweise sind wir uns in dieser Hinsicht ähnlich. Niemand ist sonderlich scharf auf unsere Gesellschaft, niemand braucht uns.
    Der Pfad führte an großen, knorrigen Bäumen mit verschlungenen Wurzeln und immer wieder an verwitterten, bröckelnden Steinarbeiten vorüber. »Wir sind gleich da, Maia«, sagte Brod über die Schulter. »Mach dich auf was gefaßt.«
    Mit einem nachsichtigen Lächeln bemerkte Maia, daß sich vor ihnen eine Lichtung öffnete. Vielleicht war es auch eine besonders große Ruine, so voller Steinbrocken, daß dort keine Bäume wachsen konnten. Auf der Flucht durch Long Valley hatte sie so etwas des öfteren gesehen. Vielleicht würde die Lamatia-Feste in ein paar hundert Jahren auch so aussehen. Der Gedanke war unangenehm.
    Als sie am Rand des Waldes angekommen waren, trat Brod nach rechts, um Maia Platz zu machen. Gleichzeitig streckte er schützend einen Arm aus. »Geh lieber nicht zu nahe ran…«
    Aber Maia hörte nicht mehr zu. Sie hörte überhaupt nichts mehr, denn das lautlose Dröhnen eines ungeheuren Schwindelgefühls brauste in ihren Ohren, während sie in den Abgrund starrte, der sich jäh vor ihr aufgetan hatte.
    Seine Schroffheit allein hätte sie nicht überwältigt. Die Klippen der Gefängnisinsel waren ebenso steil und sogar noch höher. Aber sie hatten nicht die Beschaffenheit dieser tiefen Mulde, die allem Anschein nach gewaltsam ins Zentrum des Gipfels gerissen worden war. Die Oberfläche der Vertiefung war glasglatt, als wäre der Fels geschmolzen und dann wie abkühlender Sirup erstarrt.
    Was ist hier geschehen? War es ein Vulkan? Ist er noch aktiv?
    Das Material war dunkel durchscheinend und erinnerte sie an das uralte Eis des Hartgletschers im hohen Norden. An manchen Stellen glaubte sie die Umrisse von Blöcken zu erkennen, als wäre der Fels hinter der geschmolzenen Kruste noch in einzelnen Schichten aufgebaut, mit Trennungslinien, Katakomben, parallel gelagerten geologischen Formationen aus der Urzeit des Planeten.
    Mit solchen oberflächlichen Überlegungen beschäftigte sich Maias Bewußtsein, während alles andere in ihr unkontrollierbar bibberte. »Äh… äh…«, bemerkte sie, wenig prägnant.
    »Genau das habe ich auch gesagt, als ich es zum ersten Mal gesehen habe«, meinte Brod ganz ernst und nickte. »Das bringt die Sache wirklich auf den Punkt.«
     
    Maia hätte nicht erklären können, warum weder sie noch Brod ihre Entdeckung den anderen gegenüber erwähnten. Vielleicht kam die unausgesprochene Übereinkunft daher, daß sie die beiden Jüngsten waren, die unwichtigsten der Ausgestoßenen – daß sie beide von denen, die sie eigentlich als ihre ›Familie‹ ansehen sollten, im Stich gelassen worden waren. Ohnehin war es äußerst unwahrscheinlich, daß eine ihrer Mitgefangenen den Ursprung des überwältigenden Kraters hätte erklären können. Die meisten Frauen waren schon von dem Dickicht so eingeschüchtert, daß sie nur so weit hineingingen, wie es zum Holzholen unbedingt notwendig war.
    Auf ihren Jagdausflügen drang Naroin ein ganzes Stück weiter vor, aber auch sie erwähnte nie, etwas Ungewöhnliches gesehen zu haben. Entweder deutete das auf schlechte Augen hin – keine sehr plausible Erklärung! –, oder die ehemalige Bootsfrau wollte sich ebenfalls nichts anmerken lassen.
    Seit dem letzten Gespräch mit Naroin quälten Maia finstere Gedanken. Sogar ihre Zuflucht in die reine, künstliche Welt der Spielabstraktionen geriet durcheinander. Es war schwer sich zu konzentrieren, wenn sie dauernd an Renna denken mußte, der irgendwo auf einer der benachbarten Inseln im Gefängnis saß, womöglich auf einer, die man von den südlichen Klippen aus sehen konnte. Und dann ging ihr natürlich auch die längst fällige Aussprache mit Leie nicht aus dem Kopf.
    Ein Tag reihte sich an den anderen. Als Ergänzung zu den trockenen Vorräten fing Naroin gelegentlich für alle kleinere Wildtiere mit Hilfe von Fallen, oder sie schoß sie mit Pfeil und Bogen, wodurch sie die gespannte Atmosphäre, die sich

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