Die Clans von Stratos
nach der Abstimmung eingeschlichen hatte, etwas milderte. Der Floßbau kam recht gut voran; zwar geriet er bei neu auftauchenden Schwierigkeiten eine Weile ins Stocken, doch sobald diese überwunden waren, arbeiteten alle mit neuem Elan weiter. Inzwischen lagen mehrere solide gebaute Plattformen aus zurechtgeschnitzten Stämmen zum Trocknen in der Sonne, mit Rindenbändern zusammengezurrt, die von Stunde zu Stunde trockener und damit fester wurden. Allmählich fragte sich Maia, ob der Plan von Inanna, Lullin und den anderen vielleicht doch nicht so schlecht war.
Charl, eine stämmige Matrosin mit starkem Haarwuchs, die aus dem fernen Nordwesten stammte, hatte es geschafft, das Kabel, das unter dem abgeschlossenen Windenmechanismus hing, mit einem langen Stock zu sich heraufzuangeln. Da sie an die Sprengstoffdrohung der Seeräuber glaubte, hatte sie das schwere Seil durch einen primitiven Flaschenzug gefädelt, den sie selbst konstruiert hatte. Theoretisch konnten sie damit jetzt Gegenstände halbwegs die Klippe hinunterlassen, ehe sie zu handgeflochtenen Rankenseilen übergehen mußten. Ein schlauer Gedanke, eindrucksvoll in die Tat umgesetzt.
Naroin ließ sich von alldem nicht beeindrucken. Maia hatte zwar noch gewisse Zweifel, versuchte jedoch, die anderen zu unterstützen. Als Inanna sie bat, eine provisorische Navigationshilfe zu basteln, machte sie sich ans Werk und gab sich alle Mühe. Am besten wäre es, wenn die Flüchtlinge direkt aus der schmalen Inselgruppe herauskämen und einen Kurs nach Nordwesten einschlagen könnten. Leider würden ihnen die Strömungen in dieser Jahreszeit nicht viel nutzen. Dafür konnte man mit günstigen Winden rechnen, und wenn sich ihre aus Decken zusammengenähten Segel erst einmal blähten und eine geübte Hand das Steuer bediente, müßte es eigentlich möglich sein, den Landungskontinent in weniger als zwei Wochen zu erreichen. Mit Brods Unterstützung erklärte Maia an einem Abend, wie man bei Nacht bestimmte Sterne anpeilen konnte und bei Tag den Sonnenstand abschätzte. Ihre Zuhörerinnen paßten gut auf, denn sie wußten alle, daß Maia die Inselgruppe nicht mit ihnen verlassen würde, solange Leie und Renna angeblich nur wenige Kilometer von hier entfernt waren.
Noch etwas tat Maia, um sich nützlich zu machen.
Eines Tages spürte Brod sie auf, als sie gerade einen ihrer zahlreichen Rundgänge um die Insel machte, an verschiedenen Stellen Holzstücke ins Wasser warf und zusah, wie sie schwammen. Der Junge begriff rasch, welchem Zweck diese Experimente dienten. »Na klar! Wenn sie mit dem Floß weg wollen, müssen sie die Strömung kennen, vor allem in der Nähe der Klippen, sonst zerschellt ihr Floß, ehe sie richtig losgefahren sind.«
»Richtig«, antwortete Maia. »Die Winde ist nicht an der Stelle, wo man ein so zerbrechliches Schiffchen am günstigsten zu Wasser lassen kann. Vermutlich hat man dabei eher daran gedacht, daß der Felsüberhang für die Konstruktion praktisch wäre. Inanna und die anderen müssen den richtigen Moment abpassen, sonst schwimmen sie am Schluß zusammen mit einer Menge zersplitterter Holzstückchen dort unten herum.«
Keine sehr angenehme Vorstellung. Brod nickte. »Daran hätte ich als erster denken müssen.« Seine Stimme klang hart und resigniert. »Vermutlich hast du längst gemerkt, daß ich kein guter Seemann bin.«
»Aber du wirst Offizier.«
»Ich bin Offiziersanwärter, na und?« Er zuckte die Achseln. »Gute Noten und eine einflußreiche Familie. Aber in allen praktischen Bereichen bin ich miserabel, vom Knotenknüpfen bis zum Fischen.«
Maia konnte sich vorstellen, wie schwer es für ihn war, dies einzugestehen. Kein guter Seemann zu sein, war für einen Jungen fast gleichbedeutend damit, kein richtiger Mann zu sein. Für Männer gab es kaum andere Arbeitsmöglichkeiten, nicht einmal für diejenigen, die wie Brod über eine gute Bildung verfügten.
So saßen sie nebeneinander am Rand der Klippe und beobachteten die Bewegungen der Holzstückchen im Wasser. Zwischen den Messungen spielte Maia mit ihrem Sextanten herum und nahm Winkelmaße zwischen verschiedenen anderen Inseln im Südwesten.
»Mir hat es in der Starkland-Feste so gut gefallen«, vertraute Brod ihr an und versicherte dann schnell: »Ich bin kein Muttersöhnchen. Es ist einfach schön dort. Die Mütter und Schwestern waren… sie sind nett. Ich vermisse sie sehr.« Er lachte, ein wenig schrill. »Ein bekanntes Problem für die Vars aus meinem
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