Die Clans von Stratos
Stock, und im gleichen Augenblick zerriß hinter ihr ein ohrenbetäubender Knall die Luft. Als sie mit ihrer erloschenen Fackel in der Hand herumfuhr, sah sie, wie die modrige Tür gegen ihren Rahmen knallte und zerschellte, während eine Furie in Frauengestalt auf Maia zustürzte. Inannas Schrei hallte von den Felswänden wider, so daß Maia zurückwich und ihr Schlag durch die Luft sauste, während die Freibeuterin sich duckte, Maia an Hemd und Gürtel packte und, den Schwung ausnutzend, mit roher Kraft durch die Luft schleuderte.
Maia wußte, wo sie landen würde. Sie ließ den nutzlosen Stock los und holte tief Luft, ehe das bitterkalte Wasser sich über ihr schloß. Der Schock trieb die Hälfte der Luft wieder aus ihren Lungen, dennoch paddelte Maia nicht gleich wieder an die Oberfläche. Mit ihrer ganzen Willenskraft tauchte sie nach unten und schwamm so tief sie konnte nach rechts. Wenn sie es schaffte, ein Stück wegzukommen, ohne daß Inanna es merkte, konnte sie vielleicht schnell ans Ufer krabbeln und einen etwas ausgeglicheneren Kampf führen – jugendliche Verzweiflung gegen Erfahrung.
Einen ausgeglicheneren Kampf? Wünsch dir das lieber nicht.
Maia spürte, daß sie sich dem Ende ihrer Kräfte näherte. In letzter Sekunde nahm sie Kurs auf die scharfe, schwarze Uferkante und schwamm an die Oberfläche. Japsend warf sie die Arme über den Rand, zog einen Knöchel nach und versuchte, sich hochzuziehen. Aber fast im selben Augenblick durchfuhr ein stechender Schmerz ihr Bein und es rutschte ins Wasser zurück. Durchs Salzwasser blinzelnd, sah Maia, daß ihre Feindin bereits über ihr stand und mit dem Fuß zu einem weiteren Schlag ausholte.
Mit dem Mut der Verzweiflung nahm sie den Fuß aufs Korn und packte ihn, zog und drehte daran. Inanna schrie auf, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit der Hüfte auf den Felsboden.
Noch einmal versuchte Maia herauszukommen. Diesmal hatte sie schon das Knie auf dem Rand und stemmte sich hoch…
Doch Inanna erholte sich zu rasch. Sie rollte zur Seite und stieß Maia ins Wasser zurück. Dann wurden ihre Arme zu wirbelnden Windmühlenflügeln, die auf Maias Kopf einschlugen. Eine Hand drückte sie unter die Oberfläche. Maia zog und zappelte, um sich zu befreien und wegzuschwimmen, egal wohin. Möglicherweise bot der Tunnel eine Zuflucht, obgleich auf der anderen Seite das offene Meer und der Tod auf sie lauerten.
Sie schaffte es, sich ein Stück zu entfernen, aber dann hielt sie mit einem Ruck inne. Inanna hatte sie an den Haaren gepackt!
Zappelnd und nach Luft schnappend wurde Maia zum Ufer zurückgezogen. Sie stieß sich vom Felsrand ab, um Inanna mit sich ins Wasser zu reißen, aber die große Frau hielt sie fest, zerrte sie zu sich her und drückte ihren Kopf unter Wasser.
Blasen quollen aus Maias Mund, während sie an ihrem Gürtel herumnestelte. Die Stoffstreifen waren im Weg, aber schließlich fand sie das Steinmesser. Bis sie es aus den Falten zwischen Gürtel und Hose befreit hatte, war sie fast mit ihren Kräften am Ende, aber dann hatte sie es endlich geschafft. Verzweifelt und ohne lange zu zielen, schwang sie den Arm und stieß zu.
Der Schrei klang selbst unter Wasser durchdringend. Der Druck ließ nach, und Maia tauchte empor, röchelnd und japsend. Doch dann lagen plötzlich wieder die Hände auf ihrem Kopf. Maia stach nach ihnen und traf ein zweites Mal, ehe ihre Hand mit festem Griff gepackt wurde.
»Gut gemacht, Fräuleinchen«, knurrte Inanna mit gefletschten Zähnen, während sie versuchte, den Schmerz zu verbeißen. »Jetzt noch mal von vorn, aber langsam.«
Mit einer Hand hielt sie Maias Handgelenk umklammert, mit der anderen drückte sie Maias Kopf nach unten… und riß ihn wieder hoch, so daß Maia gerade ein einziges Mal mit schmerzenden Lungen nach Luft schnappen konnte. Auf dem Gesicht der Piratin spiegelte sich unverhohlene Freude. Dann war der Augenblick vorbei, und Maia war wieder unter Wasser. Doch sie gab sich nicht geschlagen, sondern versuchte weiter, sich von der Wand abzustoßen, wobei sie wie wild mit den Beinen um sich schlug. Aber Inanna war darauf vorbereitet und zu schwer, als daß Maia sie mit Gewalt ins Wasser hätte ziehen können.
In der Kälte wurden Maias Glieder allmählich taub, aber auch der Schmerz in den Prellungen und in ihrer brennenden Lunge ließ nach. Wie aus weiter Ferne bemerkte sie, daß das Wasser sich verfärbte, teils, weil ihr schwarz vor Augen wurde, teils, weil ein großer roter Fleck
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