Die Clans von Stratos
dachte, ich hätte allmählich gelernt, wie man so etwas richtig angeht. Vermutlich werde ich einfach nicht schlauer.
Enttäuscht suchte sich Maia den nächsten flachen Stein und setzte sich.
Der Stein wackelte.
Sie stand auf, drehte sich um und hielt die Fackel an den Stein. Er sah genauso aus wie die anderen Mauersteine. Komm schon. Du ziehst voreilige Schlüsse.
Ein Windstoß schickte einen Funkenschwarm in die Luft.
Nach oben? Maia streckte die Hand aus und spürte einen Luftzug. Mit dem Fuß versetzte sie dem Felsblock einen zögernden Schubs. Stein knirschte auf Stein, ein Geräusch, das sie vor nicht allzu langer Zeit vernommen hatte. Der Klotz ließ sich viel zu leicht bewegen.
Na, wenn ich kein vollkommener Dummkopf bin… Maia blinzelte, denn plötzlich erschien der glasige Krater vor ihrem inneren Auge, wie er bei Tag ausgesehen hatte. Hinter der Schlackenoberfläche hatte sie regelmäßige Formen zu sehen geglaubt, es aber darauf zurückgeführt, daß sie immer und überall Muster erkannte, und deshalb nicht weiter darüber nachgedacht. Doch jetzt erschien in ihren Gedanken plötzlich das Bild… von Schichten, die sie für Gesteinsformationen gehalten hatte, aus denen sich jetzt aber in ihrer Phantasie Räume und Korridore formten.
Natürlich!
Jemand hatte hier tatsächlich eine Art Stollen oder ein Tunnelsystem gebaut. Vielleicht zu Sicherheitszwecken, aber offensichtlich nutzlos gegen das, was immer dieses schreckliche Loch in den Felsen gebrannt hatte.
Sie bückte sich, um den Stein zu untersuchen. Was war sein Geheimnis? Mußte man ihn nach hinten kippen? Nein. Aha, erst nach links schieben… und dann hochdrücken!
Die Platte drehte sich und enthüllte ein recht stabil wirkendes System von Schlitzen und Bolzen. Eine Steintreppe, im oberen Bereich ziemlich grob, führte hinab in die Dunkelheit. Vorsichtig stieg Maia über die Schwelle und ließ sich dann behutsam unter die Baumwurzeln hinab.
Meine Fackel ist schon halb verbraucht. Also beeil dich lieber, Mädchen.
Etwa fünf Meter weiter unten endeten die Stufen, und es folgte ein niedriger Tunnel unter einem primitiven Gewölbe. Maia mußte sich ducken, denn die Flammen ihrer Fackel schlugen bis an die Decke und versengten die Spinnweben. Schließlich öffnete sich der Gang in einen unterirdischen Raum.
Staub und Steinsplitter bedeckten jede Oberfläche, abgesehen von einem hölzernen Tisch und einem Stuhl, um die herum es jedoch von Kratzern und Fußspuren wimmelte. In einer Ecke lag ein Abfallhaufen, dessen oberste Schicht aus noch duftenden Orangenschalen und Schickfruchtrinden bestand. Hier hat jemand besser gegessen als wir übrigen, dachte Maia sarkastisch. In einer hölzernen Kiste lagen alte Sesamkräcker und eine ziemlich verschrumpelte Orange. Kein Wunder, daß du das Floß so dringend flottmachen wolltest, Inanna. Die Leckerbissen werden knapp.
Über dem einzigen Ausgang des Raums hing eine Decke. Maia riß sie herunter. Ein paar Meter weiter begann noch eine Treppe. Maia riß die Decke in Streifen, die sie zur Hälfte um die Fackel wickelte, direkt unter den brennenden Teil. Ein Streifen entzündete sich verfrüht, und sie ließ ihn leise fluchend fallen. Den Rest stopfte sie sich zusammen mit dem Messer in den Gürtel und machte sich wieder auf den Weg.
Je weiter sie den Treppenspiralen in den zylindrischen Schacht hinunter folgte, um so stärker wurde das staubige Gefühl. Bestimmt war dieses Bauwerk uralt. Die jetzige Treppe gehörte wohl noch zum ursprünglichen Teil, denn sie war schön gemeißelt und in der Mitte von zahllosen Füßen mehrere Zentimeter tief abgelaufen. Jede Stufe war zu einem Kreissegment geformt, dessen Spitze immer über der darunterliegenden lagerte. In der Mitte waren scheibenförmige Ausläufer von jedem Keil übereinandergestapelt, so daß eine Art rundes, vertikales Geländer entstand, an dem Maia sich festhielt, während sie immer weiter, immer tiefer hinabkletterte.
Nach vielleicht zehn Metern hielt sie an einer Tür inne. Von einem Treppenabsatz gingen weitere dunkle Räume ab. Im Fackellicht sah Maia gewölbte Decken, einige schon etwas abgebröckelt, die in undurchdringlicher Dunkelheit verschwanden. Kein Geräusch war zu hören. Die unberührte Staubschicht zeigte, daß seit Jahren kein Mensch mehr diese Gänge betreten hatte. Maia überlief es kalt, aber sie ging weiter, nach unten, an einem zweiten Absatz vorbei… einem dritten… bis sie endlich deutliche Geräusche zu sich
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