Die Clans von Stratos
erfahren.
Davor muß ich mich jedoch noch einer anderen Angelegenheit widmen… meinem schlechter werdenden physischen und psychischen Gesundheitszustand.
Es liegt nicht an der Schwerkraft oder der Atmosphäre. Immer wieder habe ich Anfälle, bei denen meine Symbionten gegeneinander kämpfen, und ich muß ein bis zwei Tage lang mein Zimmer hüten, weil ich mich nicht hinaustraue. Zum Glück passiert es selten. Die meiste Zeit über fühle ich mich stark und gesund. Das schlimmste Problem, mit dem ich konfrontiert bin, ist psychoglandulärer Natur und hat nichts mit Luft oder Erde zu tun.
Als männlicher Sommergast, der von keinem Stamm gefördert wird, war meine Position in Caria bislang etwas undurchsichtig. Selbst die Clans, die meine Mission gutheißen, sind im privaten Bereich auf der Hut vor mir. Es wäre zuviel, mir zu wünschen, sie würden mich behandeln wie ihre männlichen Günstlinge, die sie in der Zeit der Aurorae willkommen heißen. Kein Clan möchte der erste sein, der eine Schwangerschaft von einem außerplanetarischen Wesen riskiert, denn seine Gene könnten den Plan der Gründerin ein für allemal durcheinanderbringen.
Diese fast paranoide Vorsicht hat auch ihre guten Seiten. Die ablehnende Haltung hat es mir leichter gemacht, meine schlummernden Triebe unter Kontrolle zu halten. Selbst nach langen Reisen habe ich nie die Aufmerksamkeit von Frauen gesucht, außer bei denen, die mir Sympathie entgegenbrachten.
Mit Herbsteinbruch wird die Einstellung jedoch allgemein etwas lockerer. Bei sozialen Anlässen geht man herzlicher miteinander um. Die Frauen sehen mich an, lächeln mir zu und unterhalten sich mit mir. Manche bisherigen weiblichen Bekannten nenne ich inzwischen vorsichtig Freundinnen – Mellina vom Cady-Clan zum Beispiel, oder die beiden umwerfenden Savanten aus der Pozzo-Feste, Horla und Poulain, die nicht mehr böse werden, sondern meine Anwesenheit direkt angenehm zu finden scheinen. Sie berühren meinen Arm und erzählen mir unbeschwerte, ja teils sogar provokante Scherze.
Welche Ironie. Meine Isolation nimmt ab, mein Unbehagen nimmt zu. Tag für Tag. Stunde um Stunde.
Iolanthe, Groves und die meisten anderen scheinen nichts zu bemerken. Obwohl sie wissen, daß ich anders funktioniere als die hiesigen Männer, nehmen sie offenbar an, daß der im Herbst abnehmende Wengelstern auch mein Feuer dämpft. Nur Ratsfrau Odo versteht mich. Bei einem Spaziergang durch den Universitätsgarten hat sie mich beiseite genommen. Odo glaubt, daß mein Problem ganz einfach durch einen Besuch eines Entspannungshauses gelöst werden kann. Solche Häuser werden von eigens darauf spezialisierten Clans betrieben. Diese Frauen sind Expertinnen auf allen Gebieten, auch was die Vorsichtsmaßnahmen angeht, und selbst wenn es sich um einen liebeshungrigen Außerplanetarischen handelt.
Ich fürchte, ich bin rot geworden. Aber Verlegenheit beiseite – ich stecke in einem Dilemma. Trotz des ungleichen Männer-Frauen-Verhältnisses ist Stratos keineswegs die Erfüllung der feuchten Träume eines Pubertierenden, sondern eine komplexe Gesellschaft voller Widersprüche und Gefahren, und auch ich habe längst nicht alle Feinheiten annähernd durchschaut. Meine Situation ist gefährlich genug, ohne daß ich zusätzliche Risiken eingehe.
Ich bin Diplomat. Andere Männer – Botschafter, Priester und Gesandte aller Zeiten – haben das getan, was ich tun sollte. Haben ihre niederen Instinkte überwunden. Haben professionell gehandelt und Selbstbeherrschung geübt.
Doch welcher Zölibatär früherer Zeiten mußte eine solche Reizüberflutung über sich ergehen lassen wie ich – tagein, tagaus? Ich spüre es von meinem Sehnerv bis hinunter in mein Geschlecht.
Komm schon, Renna. Ist es nicht nur eine Sache der sexuellen Hinweisreize? Manche Arten kommen durch Pheromone in Stimmung oder durch Herumstolzieren. Männliche Hominiden werden visuell aktiviert – Schimpansen beispielsweise durch rosige Brunstfarben –, stratoinische Männer durch sommerliche Himmelslichter. Altmodische Männermenschen reagieren auf die allerlästigsten Reize – auf die, die überall und immerzu vorhanden sind. Die Frauen können nicht anders, als diese Reize zu zeigen, gleichgültig, in welchem Zustand sie sich befinden, welche Jahreszeit gerade ist oder welche Absichten sie hegen.
Niemand ist daran schuld. Vor langer Zeit hatte die Natur ihre Gründe dafür. Dennoch verstehe ich immer besser, warum Lysos und ihre Verbündeten
Weitere Kostenlose Bücher