Die Clans von Stratos
andere Maßnahmen ergreifen. Durch eine mit Radar ausgestattete Schiffsblockade konnte auch das kleinste Boot nicht hindurchschlüpfen. Und was die Zurückbleibenden anging, so würde der Hungertod das Gefangenenproblem der Piraten zwar langsamer lösen als ein bewaffneter Angriff, aber ebenso effektiv.
Nein, wir müssen es jetzt durchziehen, ehe sie eine Nachricht von Inanna erwarten.
»Eia!« rief Naroin. »Da kommen sie! Mit vollen Segeln, durch die sprühende Gischt!« Sie sah genauer hin. »Verdammte Mistweiber!«
»Was ist?« fragte Brod.
»Nichts.« Naroin zuckte die Achseln. »Ich dachte kurz, es wäre ein Zweimaster. Aber es ist ein Segler. Das ist schlimm genug. Schnell wie der Teufel, mit einer Besatzung von zwölf oder mehr. Das wird kein Kinderspiel.«
Charl spuckte ins Wasser. »Erzähl mir lieber was Neues«, brummte die große Frau von der Mechant-Küste. Tress, eine jüngere Matrosin aus Ursulaborg fragte nervös: »Sollen wir umkehren?«
Naroin spitzte die Lippen. »Warten wir’s ab. Sie sind an der Landspitze vorbei, außerhalb der Reichweite der ersten Kamera. Wird ’ne Weile dauern, bis die nächste einspringt.« Sie schaltete wieder um. »Lullins Crew hat sie gesehen.«
Der kleine Bildschirm zeigte jetzt eine Gruppe Floßbauerinnen, die sich vergebens mühten, fertig zu sein, bevor das Piratenschiff die Straße zwischen zwei Nachbarinseln passierte. Es war so gut wie sinnlos, denn das jüngste Bild hatte das schlanke Piratenboot gezeigt, wie es durch das kabbelige Wasser zur Attacke preschte, daß die Gischt nur so von Steuerbord und Backbord sprühte.
»Werden sie entern?« fragte Tress.
»Schön wär’s. Aber ich vermute, daß es heute nicht darum geht, Gefangene zu machen.«
Die Strömung wurde wieder heftiger. Maia und die anderen begannen sich wieder in die Riemen zu legen, und Naroin fuchtelte an den Hebeln herum. Auf einmal rief sie: »Ich hab sie! Ungefähr drei Kilometer draußen. Entfernung verringert sich rasch.«
Kommt näher… dachte Maia jedesmal, wenn sie einen Blick auf das Gerät erhaschen konnte, bis schließlich ein riesiges weißes Segel den Bildschirm ausfüllte. Kommt näher.
Schließlich löste die Besatzung auf dem Floß die Vertäuung aus zusammengedrehten Ranken. Einige begannen, mit langen Ästen vorwärts zu stochern, zwei versuchten, einen groben Mast mit Segeln aus zusammengenähten Decken aufzurichten. Es sah ganz danach aus, als versuchten sie wegzukommen. Entweder waren Lullin, Trot und die anderen gute Schauspielerinnen, oder die Angst verlieh ihrer List die notwendige Glaubwürdigkeit.
Naroin hielt alle auf dem laufenden, wie rasch das Piratenschiff sich näherte. Inzwischen war der Segler weniger als tausend Meter vom Floß entfernt. Dann achthundert, und er kam rasch näher.
Die Lage auf dem Floß wurde immer verzweifelter. Eine Frau begann hektisch Proviantboxen von Bord zu schubsen, als wollte sie Last abwerfen. Die Kisten schaukelten hinter dem Floß auf dem Wasser, ohne daß sich der Abstand zwischen ihnen sehr vergrößerte.
»Sechshundert Meter«, verkündete Naroin.
»Sollten wir jetzt nicht näher ranfahren?« fragte Brod. Er machte einen erstaunlich entspannten Eindruck. Nicht unbedingt eifrig, sondern bemerkenswert gelassen, wenn man an das dachte, was er Maia über sich erzählt hatte. Er hatte sogar darauf bestanden mitzukommen.
»Lysos hat nicht gesagt, daß Männer nie kämpfen können«, behauptete er leidenschaftlich. »Man bringt uns bei, daß alle Männer Reservisten der Miliz sind und eingezogen werden können, wenn ein Notfall eintritt. Und das trifft im Fall dieser Banditen ja wohl zu!«
Solche Argumente hatte Maia noch nie gehört. Stimmte das, was dieser Junge sagte? Als Polizistin mußte Naroin es eigentlich wissen, und sie hatte bei Brods Argumenten nur ein paar Mal geblinzelt und schließlich genickt. »Es gibt… Präzedenzfälle. Außerdem erwarten sie bestimmt keinen Mann. Also haben wir noch einen Überraschungseffekt auf unserer Seite.«
Am Ende erlaubte man ihm mitzukommen, obwohl einige immer noch protestierten. Auf alle Fälle war Brod hier sicherer als auf dem Floß.
»Du mußt Geduld haben und den Mund halten«, wies Naroin den Jungen an, während sie mit den Strömungen kämpften. »Vierhundert Meter. Wie die Mistweiber es wohl anstellen wollen… dreihundert Meter.«
Brod steckte den Tadel gefaßt ein. Als Maia ihn ein zweites Mal gründlich musterte, entdeckte sie einen weiteren Grund, warum er
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