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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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war. Träume brachten ihr Erinnerungen, nach dem Zufallsprinzip aus ihrem Gedächtnis gerissen, durch die wahllosen Ausschmückungen ihres Unterbewußtseins verdreht, aber ausgesprochen realistisch wirkend.
    Sie war etwas über drei stratoinische Jahre alt gewesen… neun oder zehn nach dem alten Kalender. Es war Mittwintertag; Lamatias Sommerlinge hatten ihr Essen bekommen und sollten auf ihre Zimmer gehen und dort bleiben, bis der Gong zum Abendessen rief. Aber die Zwillinge hatten andere Pläne. Maia und Leie wußten, daß sich alle Voll-Lamai um Mittag in der großen Halle versammeln würden, um an der Initiationszeremonie teilzunehmen. Seit Wochen schon hatte die Sechsjährigen-Klasse von Lamai aufgeregt darüber spekuliert, wer von ihnen die Reife empfangen würde und wer noch einen, vielleicht sogar zwei Winter würde warten müssen. Unter den doch kaum voneinander unterscheidbaren Klonfrauen hatten diejenigen, die bei der ersten Wintersonnenwende, an der sie als Erwachsene teilnahmen, gleich schwanger wurden, einen Vorteil gegenüber ihren Gleichaltrigen. Ihr Status stieg, und während ihre Generation heranreifte, übernahmen manche sogar eine führende Rolle im Clan.
    Maia und Leie waren sich einig, daß sie die Zeremonie nicht verpassen wollten, trotz aller Regeln, nach denen der Ritus für Halbtöchter verboten war. Sie hatten viele Stunden damit verbracht, eine Möglichkeit zu finden, wie sie die Verbote umgehen konnten – zuerst mußten sie durch ihr Schlafzimmerfenster klettern, um eine Dachgaube herum, eine Regenrinne hinunter, eine Wand mit kunstvollen zinnenartigen Ornamenten entlang, durch ein loses Fenster in den Speicher und von dort über eine Strickleiter, die sie vorbereitet hatten, einen versiegelten, nicht mehr benutzten Schornstein hinunter…
    Irrt Traum erlebte Maia jede Phase des Abenteuers so lebendig und hautnah wie damals. Die Angst, in den Tod zu stürzen, war zwar entsetzlich, aber weniger entsetzlich als der Gedanke, erwischt zu werden. Andererseits war erwischt und bestraft zu werden absolut lächerlich angesichts der grausigen Möglichkeit, daß sie und Leie das Ritual nicht sehen konnten.
    Den geplanten Aussichtspunkt zu erreichen, war der gefährlichste Teil der Unternehmung. Sie mußten sich an der steilen, schräg abfallenden Kuppel der großen Halle entlanghangeln, in deren gebogene Rippen aus Eisenbeton große Linsen aus buntem Glas eingelassen waren. Nachdem Maia und ihre Schwester vorsichtig am Rand entlanggekrochen waren, damit kein Schatten in die Halle fiel, fanden sie schließlich den Mut, den Hals weit genug zu recken, um einen ersten Blick auf die Zeremonie zu erhaschen, die dort unten im Gange war.
    Sie sahen auf ein wirbelndes Durcheinander von Licht und Schatten. Durch das Glasdach fiel winterliches Tageslicht, so hell, daß es sich fast mit dem Sommernachtsleuchten vergleichen ließ. Die farbigen Glasplatten warfen gekonnte Imitationen der Aurorae auf die Wände, während die ungetönten so fröhlich glitzerten und blitzten wie der Wengelstern, wenn der kleine strahlende Gefährte der Sonne hoch am Sommerhimmel stand. Ein loderndes Feuer in einer Ecke des Raums verströmte eine Hitze, die die Zwillinge sogar noch an ihrem Ausguck spürten. Man hatte Zusatzstoffe in die Flammen geworfen, um das ganze Spektrum des nördlichen Lichts zu simulieren.
    Für dieses Schauspiel hatte sich die Mühe reichlich gelohnt. Aber weder Maia noch Leie hätten den Mut gehabt, das Wagnis allein auf sich zu nehmen.
    Es dauerte eine Weile, bis sich die Nervosität, daß jemand zu ihnen heraufschauen könnte, einigermaßen gelegt hatte. Die Mädchen verbrachten mehr Zeit damit, sich anzustoßen und zu kichern, als daß sie wirklich durch die blankpolierten Glaslinsen das Geschehen beobachteten. Aber schließlich merkten sie doch, daß niemand zu einem solchen Zeitpunkt an der Saaldecke interessiert war.
    Eine Tanztruppe bewegte sich in einem Wellenmuster vor dem zentralen Podium und schwenkte hauchdünne Tücher, die ebenfalls an das sommerliche Ionenspektakel erinnerten. Man hatte die Truppe vom Oosterwyck-Clan angeheuert, denn die Schönheit und Sinnlichkeit ihrer tänzerischen Darbietungen waren hochberühmt. Ihr Erfolg wurde überall publik gemacht, und nur sehr reiche Clans konnten sich um diese Jahreszeit ihre Dienste leisten.
    Aus kleinen Fäßchen quollen Rauchspiralen, deren Aroma die Duftstoffe nachahmte, die einen Mann am wirkungsvollsten erregten. Hinter einem

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