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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Schleiervorhang sah man die Silhouetten der versammelten Mütter und Vollschwestern der Lamatia-Feste, die diskret hinter den Kulissen saßen und zusahen, um ihre Gäste nicht zu stören.
    Maia stieß Leie an und zeigte mit dem Finger. »Da drüben!« Natürlich war es unnötig, daß sie flüsterte, denn da die Musik sie nur als fernes Murmeln erreichte, konnte man davon ausgehen, daß unten niemand etwas von dem hörte, was sie hier oben sprachen. Leie spähte in die angegebene Richtung. »Ja, das sind der Kapitän der Pinguin-Gilde und die beiden jungen Matrosen. Genau wie ich es vorausgesagt habe. Du mußt zahlen!«
    »Ich hab nie mit dir gewettet! Jeder weiß doch, daß die Pinguin-Gilde Lamatia wegen des großen Kredits, den die Mütter ihnen letztes Jahr gegeben haben, zu Dank verpflichtet sind.«
    Leie ignorierte Maias Bemerkung. »Komm, sehen wir es uns genauer an«, drängelte sie und zog an Maias Arm, wodurch sie auf der schrägen Wand der Kuppe gefährlich ins Schwanken geriet. »He, paß doch auf!«
    Aber Leie war schon zu einer Stelle gerobbt, wo ein großes konvexes Glasstück aus dem gewölbten Dach hervortrat. Maia hörte, wie ihre Schwester kurz nach Luft schnappte und dann nervös zu kichern begann.
    »Was ist los?« fragte Maia und hangelte sich vorsichtig zu ihr hinüber.
    Leie hob die Hand. »Nein, noch nicht! Halt dich gut fest und sorg dafür, daß du sicher stehst. Alles klar? Mach die Augen erst auf, wenn ich’s dir sage.«
    Es war eins jener Rituale, die einem ganz normal vorkamen, wenn man drei war. Maia spürte, wie ihre Schwester ihren Zopf packte und sie langsam vorwärtsschob, bis ihre Nasenspitze kaltes Glas berührte. »Okay, jetzt kannst du gucken«, sagte Leie mit unterdrücktem Kichern.
    Maia öffnete ein Auge einen Spaltbreit und sah zunächst nur verschwommene Formen. Das Glas bestand aus mehreren dünnen Schichten, mit Zwischenräumen, in denen sich Luft befand. Doch als sie den Kopf ein Stückchen zurücknahm, wurde das Bild klar. Zumindest schien es klar zu sein, von der Höhe erstaunlich vergrößert. Noch immer kam ihr das, was sie sah, wie ein Durcheinander von leicht unterschiedlicher Fleischfarbe vor – durchsetzt von kurzem schwarzem Fell, unregelmäßig verteilt, aber dort besonders dicht, wo zwei größere Anhängsel mit einem kleineren, rosafarbenen zusammentrafen. Bei letzteren mußte es sich um Beine handeln. Das kleine dazwischen…
    »Oh!« rief sie und fuhr so heftig zurück, daß sie mit den Armen wedeln mußte, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Leie packte sie und lachte über ihre Verblüffung. Sofort kehrte Maia zu ihrer Aussichtsstelle zurück und versuchte, die Szene wieder richtig ins Bild zu bekommen. »Nein, laß mich jetzt. Ich bin dran!« forderte Leie. Aber Maia rührte sich nicht von der Stelle, und ihre Zwillingsschwester zog sich widerwillig zurück, um sich ein anderes Plätzchen zu suchen, das, wie sie rasch verkündete »sogar noch besser« war. Aber Maia war zu versunken, um darauf zu achten.
    So sieht also ein nackter Mann aus, dachte sie. Der Vergrößerungseffekt des Glases war verwirrend, und sie fand es schwierig, ein Gefühl für die Proportionen zu bekommen, geschweige denn das, was sie sah, mit den sterilen Diagrammen in Verbindung zu bringen, die sie in der Schule studiert hatten. Was machen sie mit dem Ding, wenn sie rumlaufen? Es muß einem doch im Weg sein, wenn es da so runterbaumelt.
    Ihre nächsten Gedanken waren so peinlich, daß Maia sie nicht einmal im Kopf ausformulierte. Faszination besiegte nach hartem Kampf den Abscheu, und Maia beobachtete weiter, in der Hoffnung, daß sie es mitbekommen würde, wenn das Ding sich veränderte. Wird es wirklich noch größer?
    Eine Hand kam ins Blickfeld und griff an dem Anhängsel vorbei, um einen haarigen Oberschenkel zu kratzen. Maia rückte ein Stück ab, so daß sie auch den Arm, Oberkörper und Kopf des Mannes sehen konnte, der sich auf seinen Seidenkissen zurücklehnte und die Tänzerinnen beobachtete. Jetzt wandte er sich zu einem anderen Mann um, der sich neben ihm räkelte, und sagte etwas. Der andere lachte, richtete sich auf und beugte sich mit einem etwas nüchterneren Gesichtsausdruck nach vorn, als wollte er sich noch konzentrierter der Show widmen. Dicht neben ihnen standen Speisen und Getränke. Der erste Mann nahm ein Weinglas und leerte es. Die hübsch gekleidete Frau, die sofort herbeieilte und das Glas nachfüllte, schien er gar nicht zu bemerken, genausowenig

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