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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Lämmer zur Schlachtbank führten.
     
    Elizabet und Ebby schliefen in einem Raum im Corvin-Kino. Eines Nachts hörte Ebby, wie sie sich von einer Seite auf die andere wälzte, nach einer Position suchte, in der ihre verletzte Brust weniger schmerzte. Ein fröhlicher junger Maurer mit einem bandagierten Ohr hatte die Einschusslöcher in der Außenwand zugemauert, was den Raum zwar weniger zugig machte, aber den Nachteil hatte, dass Ebby nicht mehr vom Morgenlicht geweckt wurde. Von Zeit zu Zeit hörte er Angehörige des »Corvin-Bataillons« auf dem Gang. Die ganze Nacht hindurch herrschte ein Kommen und Gehen, wenn sich die Wachen ablösten. Auf der anderen Seite des Raums schob Elizabet ihre Matratze über den Boden und lehnte sie zur Hälfte gegen die Wand. Sie schien weniger Schmerzen zu haben, wenn sie in halb sitzender Position schlief.
    »Elliott –«
    Ebby stützte sich auf einen Ellbogen. »Was ist?«
    »Es tut weh. Ich hab Schmerzen. Kann nicht schlafen. Mache mir schreckliche Sorgen.«
    Ebby zog seine Matratze neben ihre. Er spürte, dass sie in der Dunkelheit nach seiner Hand tastete, und schob seine Finger zwischen ihre.
    »Ich bin froh, dass du da bist«, gestand sie im Flüsterton.
    »Möchtest du reden?«, fragte er.
    »Ich habe ein Kind … eine Tochter …«
    »Wie heißt sie?«
    »Nellie. Im Januar wird sie sechs.«
    »Ist Árpád ihr Vater?«
    »Ja.« Ebby konnte hören, wie sie sich die Tränen abwischte. »Ich habe noch mit meinem Mann zusammengelebt, als Árpád und ich … als wir …«
    »Hab schon verstanden«, sagte Ebby. »Wo ist dein Mann denn jetzt – wie heißt er noch mal?«
    »Németh. Nándor Németh. Sein Vater war ein hochrangiger Kommunist. Als wir heirateten, war Nándor Untersekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Vor zwei Jahren wurde er an die ungarische Botschaft in Moskau versetzt. Damals wusste er schon von Árpád. Ich beschloss, nicht mit ihm nach Moskau zu gehen …«
    »Was ist mit Nellie?«
    »Sie lebt bei Nándors Schwester in einem landwirtschaftlichen Kollektiv bei Györ, etwa neunzig Kilometer von Budapest entfernt. Bis das hier anfing« – Elizabet seufzte in die Dunkelheit – »bin ich jedes zweite Wochenende rausgefahren, um sie zu besuchen. Bevor Árpád in den Untergrund ging, hat die AVH ihn regelmäßig ein- oder zweimal im Monat abgeholt; manchmal haben sie ihn eine ganze Woche lang verhört. In der Zeit habe ich Nellie immer zu mir nach Budapest geholt.«
    »Wieso hast du sie nicht auch bei dir behalten, wenn Árpád da war?«
    Elizabet überlegte einen Moment lang. »Du musst Árpád verstehen – er ist ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Freiheit der Menschen im Allgemeinen, aber individuelle Freiheiten, das Recht, die eigene Tochter bei sich zu haben, unterliegen seinem Veto.« Sie räusperte sich. »Ehrlich gesagt, er hat nicht gerne Kinder um sich. Natürlich hätte ich ihn jederzeit verlassen können. Und einige Male habe ich es auch versucht. Aber am Ende bin ich doch immer wieder zu ihm zurückgekommen. Ich bin abhängig von Árpád – er ist wie eine Sucht, die ich nicht abschütteln kann …«
    Der hohle Klang von Elizabets Stimme war Ebby unheimlich. Um sie abzulenken, erzählte er ihr von seinem Sohn, der drei Jahre älter war als Nellie. »Er heißt Manny, das ist die Kurzform für Immanuel. Er ist ein kluges Kerlchen, klug und ernsthaft. Er wohnt bei meiner Exfrau … ich kenne ihn eigentlich nicht sehr gut … ich bin zu viel im Ausland unterwegs.«
    »Das muss schwer sein für dich.«
    Ebby sagte nichts.
    Elizabet fasste seine Hand fester. »Wenn alles vorbei ist – die Revolution, das Töten, die Schmerzen, die Anspannung –, müssen wir beide mehr Zeit mit unseren Kindern verbringen.«
    »Ja. Irgendwie werden wir das einrichten.«
     
    »Sie sehen aus, als wären Sie von einer Dampfwalze überrollt worden«, sagte Botschaftsrat Jim Doolittle zu Ebby. Es war Freitagabend, und sie blickten beide im ersten Stock des Parlamentsgebäudes aus einem Fenster, das eine herrliche Aussicht auf den riesigen Platz bot. Kurz zuvor war die Sonne in einem feurigen Spektakel untergegangen, doch inzwischen waren auch die letzten Spuren von Farbigkeit am Himmel von der Dunkelheit verschluckt worden.
    Doolittle wandte sich vom Fenster ab und sah, wie der amerikanische Botschafter, sein politischer Geschäftsträger (Doolittles unmittelbarer Vorgesetzter) und der Dienststellenleiter der Company am anderen Ende des großen,

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