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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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zurückversetzt von der Straße standen und aussahen wie ans Ufer gespülte Schiffswracks, Obdachlose eingenistet, die einfach weiterzogen, wenn die Dächer einstürzten. Die Veranden sackten in das wuchernde Gestrüpp der Gärten, wo sich streunende Katzen tummelten. Unmittelbar hinter dem einst vornehmen Hotel kettete Padrón, ein Mann in mittleren Jahren, dem das leicht schüttere Haar über seine großen Ohren fiel, sein Fahrrad an einen rostigen Eisenzaun. Dann ging er durch den Personaleingang, stieg eine lange Treppe hinunter und kam in den Umkleideraum. Er schloss seinen Spind auf und zog rasch die braune Uniform mit den schwarzen Schuhen an. Die Schuhe waren ihm zu eng und quietschten beim Gehen, aber man hatte ihm ein neues Paar versprochen, wenn die nächste Lieferung kam. Er band sich noch die schwarze Fliege, als er schon auf dem Weg nach oben in die Küche neben dem Hotel-Café war, durch die breite Schwingtür trat und den vier Köchen, die schwitzend an dem gewaltigen Gasherd standen, eine knappe Begrüßung zurief. Einer von ihnen, ein alter Mann, der schon im Libre gearbeitet hatte, als es noch das Havanna Hilton war, starrte Padrón an, als wollte er ihm etwas sagen. Dann deutete er mit dem Kinn auf die Tür zum Büro des Managers. Padrón hob beide Handflächen, als wollte er fragen, Was ist denn? Genau in dem Augenblick öffnete sich die Bürotür, und zwei Polizisten in grüner Uniform winkten ihm hereinzukommen. Padrón überlegte kurz, ob er fliehen sollte. Doch als er über die Schulter blickte, sah er zwei weitere Polizisten durch die Tür hinter ihm treten. Padrón zwang sich zu einem arglosen Grinsen und schlenderte an den beiden Polizisten vorbei in das Büro. Er hörte die Tür hinter sich zufallen. Ein elegant gekleideter Mann mit akkurat gestutztem Bart stand hinter dem Schreibtisch des Managers.
    »Padrón, Arturo?«, fragte er.
    Padrón wischte sich mit dem Handrücken einen Schweißtropfen von der Stirn. »Der bin ich. Padrón, Arturo.«
    »Du hast einen Vetter namens Jesús, der ein Criscraft-Kabinenboot mit Doppelmotor besitzt, das im Hafen Cojímar liegt. Es ist bekannt, dass er gegen Geld Kubaner nach Miami bringt.«
    Padrón spürte einen stechenden Schmerz in der Brust, eine plötzliche Atemnot. Er hatte Fotos von dem Mann hinter dem Schreibtisch in der Zeitung gesehen. Er war niemand anderes als Manuel Piñeiro, der Chef der Geheimpolizei. »Mein Vetter hat ein Boot, Señor «, sagte er. »Was er damit macht, weiß ich nicht.«
    Piñeiro krümmte einen Zeigefinger, Padrón bekam von einem Polizisten einen Stoß in den Rücken und trat mit quietschenden Schuhen vor. »Dein Vetter Jesús hat gestanden, dass er Anweisung bekommen hat, an jedem Abend dieser Woche in der Nähe seines Telefons zu bleiben und auf ein Signal zu warten. Wenn dann ein Anrufer einen bestimmten Satz aus dem Korintherbrief zitieren würde – Und wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Streit rüsten? –, sollte er sofort mit seinem Boot zum Strand von Miramar fahren, nur wenige Fahrradminuten von hier entfernt, und dich dort abholen. Anschließend sollte er dich nach Miami bringen. Dafür sollte er zwölftausendfünfhundert amerikanische Dollar bekommen.«
    Inzwischen war alles Blut aus Padróns Gesicht gewichen.
    »Ich bin kein frommer Mensch«, fuhr Piñeiro in beruhigend freundlichem Tonfall fort, »auch wenn ich in meiner Jugend so manchen Gottesdienst besuchen musste, meinen Großeltern zuliebe. Ich erinnere mich an einen anderen Satz aus der Bibel, und zwar aus dem Buch des heiligen Matthäus: Weh dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird! Es wäre ihm besser, dass derselbe Mensch nie geboren wäre. « Sein Ton verhärtete sich. »Leer deine Taschen aus!«
    Mit zitternden Fingern tat Padrón wie geheißen. Piñeiro schob die einzelnen Gegenstände mit spitzen Fingern auseinander: ein Taschenmesser, ein bisschen Wechselgeld, ein paar Kaugummistreifen, ein zerknülltes Taschentuch, zwei Stück Zucker in der auffälligen braunen Papierverpackung des Cafés, eine ungeöffnete Packung russische Zigaretten, eine Streichholzschachtel, eine Armbanduhr ohne Band, ein Lotterielos, ein Fahrradschlüssel, ein halb volles Fläschchen Aspirin von Bayer, ein Foto von einem Kind im Bettchen und ein anderes von einer Frau mit teilnahmslosen Augen, ein Ausweis mit einem Foto von einem jüngeren und schlankeren Padrón.
    »Ich werde dir jetzt einige Fragen stellen«,

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