Die Company
verlassen. Ich wiederhole –«
Jack unterbrach. »Whiskey Sour, ich werde diesen Strand unter keinen Umständen allein verlassen.«
Roberto drehte sich zu Jack um. »Mach, dass du wegkommst«, schrie er. »Du kannst uns nicht mehr helfen.«
»Ich gehe erst, wenn alle gehen.«
Zwei Granaten explodierten kurz hintereinander. Einen Moment lang nahm der aufspritzende Sand allen die Sicht. Als er sich wieder gelegt hatte, kam ein bärtiger Kämpfer auf sie zugetaumelt. Blut schoss ihm aus einer klaffenden Wunde, wo einmal sein Ohr gewesen war. Dann kippte er mit dem Gesicht nach vorn in den Sand. Ein anderer Soldat rollte den Verwundeten auf den Rücken, sah zu Roberto hinüber und schüttelte den Kopf. Jack spürte plötzlich eine klebrige Nässe an seinem Oberschenkel. Ein Schrapnell hatte sein Bein gestreift, die Hose zerfetzt und ihm die Haut aufgerissen. Roberto riss Jack die .45er aus dem Halfter und zielte damit auf den Kopf des Amerikaners. »Wenn Castro dich gefangen nimmt«, rief er mit brechender Stimme, wobei ihm Tränen der Wut über die sandverschmierten Wangen liefen, »erzählt er der ganzen Welt, wir wären von amerikanischen Offizieren angefühlt worden. Um Christi willen, Jack, nimm uns nicht noch unsere Würde. Sie ist alles, was uns geblieben ist. Okay, Jack? Hast du mich verstanden, Jack? Ich schwöre bei Gott – ich werde dich eher töten als zulassen, dass du ihnen lebend in die Hände fällst.«
Jack wich zurück. Wasser wirbelte ihm um die Knie. »Du bist ein Scheißkerl«, schrie er Roberto an.
» Gringo carajo! Ich puste dir den Schädel weg, du wärst bloß eine Leiche mehr in der Brandung.«
Jack drehte sich um und watete tiefer ins Wasser, dann verloren seine Füße den Halt, und er begann, vom Strand wegzuschwimmen. Von Zeit zu Zeit blickte er sich um. Die ersten Panzer kamen zwischen den Bungalows hervorgerollt, Flammen schossen aus ihren Geschützrohren. Einer der Brigadepanzer am Strand flog in die Luft; der Geschützturm rutschte seitlich weg, und das Geschützrohr grub sich in den Sand. Hinter den Panzern liefen geduckt Soldaten über die Dünen. Aus den Granattrichtern und ausgehobenen Gräben tauchten Männer mit hoch erhobenen Armen auf. Jack drehte sich weg und schwamm weiter. Ein Stück vor sich sah er ein halb aufgeblasenes Schlauchboot. Er schwamm darauf zu, hievte sich hinein und blieb dann lange Zeit einfach liegen, das Gesicht der Sonne zugewandt, die Augen fest geschlossen. Bilder des Schreckens stritten mit Bildern von Millie, wie sie seine Wunden mit ihren sanften Lippen bedeckte.
Er verlor jedes Zeitgefühl. Schließlich richtete er sich ein wenig auf und blickte zum Strand zurück. Es wurde nicht mehr geschossen. Reihen von Männern, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, wurden die Dünen hinaufgetrieben. Nicht weit vom Boot entfernt trieb eine geborstene Holzplanke – vermutlich von den Bänken der gesunkenen Landungsboote. Jack fischte sie auf, um sie als Ruder zu benutzen, legte sich im Boot möglichst flach, um nicht vom Strand aus gesehen zu werden, und paddelte los. Nach einer Weile hatte er Blasen an den Händen. Sie platzten auf, und sein Paddel wurde glitschig von Blut. Das tanzende Sonnenlicht auf den Wellen blendete ihn, die Sonne brannte ihm im Nacken. Von Zeit zu Zeit überkam ihn trotz der Hitze ein unkontrolliertes Zittern, das er nur unterdrücken konnte, wenn er an Millie dachte. Er konnte ihre Stimme hören: Komm nach Hause, wann du kannst, Jack. Solange du nur kommst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn …
Als er das nächste Mal aufsah, war der Zerstörer so nah, dass er die frische Farbe am Bug erkennen konnte, wo die Nummer übermalt worden war. Matrosen riefen ihm Ermutigungen zu. Er schätzte, dass inzwischen genug Distanz zwischen Schlauchboot und Strand lag, und setzte sich auf. Bei jedem Paddelschlag stöhnte er heiser auf, und dann spürte er, wie sein Ruder tief in die Meeresdünung tauchte. Mit einem stechenden Schmerz meldete sich seine mehrfach gebrochene Rippe wieder. Um ihn herum drehte sich alles. Er meinte, die dumpfen Anfeuerungsschreie der Studenten auf beiden Seiten des Flusses zu hören. Während er in langen, fließenden Bewegungen vor und zurück glitt, sah er schon die Ziellinie vor sich.
Und dann blieb die Planke, die er in Händen hielt, im Wasser stecken, und er wusste plötzlich wieder, dass er nicht in einem schlanken Wettkampf-Achter ruderte. Er zerrte an dem Brett, bekam es aber nicht frei. Er blickte zur
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