Die Company
Seite – das Wasser war irgendwie seltsam. Es war schmutzigrot und spülte durch Unmengen grünliches Seegras. Und dann sah er, dass das Ende der Planke im Bauch einer aufgeblähten Leiche steckte, die im Seegras trieb. Jack ließ das Brett los, würgte und erbrach sich, wieder und wieder, bis seine Kehle schmerzte und er das Gefühl hatte, dass nichts mehr in ihm war – kein Herz, keine Lunge, kein Magen.
Dieses Gefühl völliger Leere übermannte ihn, und ihm wurde schwarz vor Augen.
Am späten Nachmittag rief Ebby von seinem Büro aus Elizabet an. »Hast du Nachrichten gehört?«, fragte er.
»Alle hier kleben förmlich am Radio«, sagte sie. »Es ist die Rede von Hunderten von Toten und über tausend Gefangenen.«
»Hier ist die Hölle los«, sagte Ebby. »Ich kann jetzt nicht lange sprechen. Leo und ich meinen, es wäre gut, wenn du Adelle abholst und ihr beide zu Millie fahrt, damit sie nicht so allein ist.«
»Wieso ist sie zu Hause?«
»Sie hat sich heute Morgen krankgemeldet. Sie sagte, es wäre nichts Körperliches – sie könne sich einfach nicht konzentrieren.«
Elizabet wagte kaum zu atmen. »Habt ihr schlimme Nachrichten über Jack?«
»Wir haben gar keine Nachrichten«, antwortete Ebby. »Aber sie könnten schlimm sein.«
Adelle stand schon wartend vor dem Haus, als Elizabet sie abholte. Die beiden waren im Laufe der Jahre enge Freundinnen geworden, doch auf dem Weg zu Millie sprachen sie kaum ein Wort. Sie gingen um das Haus herum, und als sie durch die Küchentür eintraten, sahen sie Jacks Frau am Tisch sitzen. Sie starrte auf den Fernseher, in dem eine Quizsendung lief, und wartete auf die neusten Kurznachrichten. Eine offene Flasche Scotch stand in Reichweite. Im Spülbecken stapelte sich schmutziges Geschirr, und vor der Waschmaschine lag ein Berg Wäsche.
Millie sprang auf und betrachtete ihre Freundinnen mit schreckgeweiteten Augen. »Keine Umschweife bitte«, flehte sie. »Wenn ihr etwas wisst, dann sagt es mir.«
»Wir wissen nur, was in den Nachrichten gekommen ist«, sagte Elizabet.
»Schwört ihr, dass ihr mir nichts verschweigt?«
»Wir wissen, dass es eine Katastrophe ist«, sagte Adelle. »Mehr nicht.«
»Jack ist mit an Land gegangen«, sagte Millie.
Die Frauen umarmten sich. »Du kannst dich drauf verlassen, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen werden, um ihn da rauszuholen«, beruhigte Adelle sie.
»Wo ist denn Anthony?«, fragte Elizabet.
»Meine Mutter ist gekommen und hat ihn und Miss Aldrich mit zu sich nach Hause genommen.«
Millie goss ihnen Scotch ein, und sie stießen an.
»Auf die Männer in unserem Leben«, sagte Elizabet.
»Auf den Tag, an dem sie die Nase endlich so voll von der Company haben, dass sie ihre Brötchen lieber als Autoverkäufer verdienen.«
»Wenn sie Autos verkaufen würden, wären sie nicht mehr die Männer, die wir geheiratet haben«, sagte Millie.
Sie setzten sich um den Küchentisch. »Diesmal hat die Company wirklich Mist gebaut«, sagte Millie. »Dick Bissell und Dulles können bald Arbeitslosengeld beantragen.«
Und dann klingelte das Telefon. Elizabet und Adelle tauschten Blicke. Millie griff zum Hörer. Ihre Lippen wurden weiß, als sie Dulles’ Stimme hörte.
»Ja, am Apparat«, sagte sie. »Ich verstehe. Sie sind ganz sicher? Es besteht nicht die geringste Möglichkeit, dass Sie sich irren? Nein, ich komme zurecht, danke. Zwei Freundinnen sind hier bei mir. Danke, Director. Ich bin stolz auf Jack. Sehr. Ja. Auf Wiederhören.«
Millie drehte sich zu ihren Freundinnen um. Tränen standen ihr in den Augen. Sie war so erschüttert, dass sie nicht sprechen konnte. Adelle kam schluchzend um den Tisch und schloss sie fest in die Arme.
»Es ist nicht, was ihr denkt«, brachte Millie schließlich heraus. »Jack ist in Sicherheit. Er konnte sich retten. Ein Zerstörer hat ihn aus dem Meer gefischt –« Inzwischen strömten ihr Tränen über die Wangen. »Seine Hände sind voller Blasen. Er hat Schrapnellwunden – aber Dulles schwört, das seien nur Kratzer, mehr nicht.« Sie begann, unter Tränen zu lachen. »Er lebt. Jack lebt!«
Spät am Mittwochabend brannte im Westflügel des Weißen Hauses noch immer Licht. Eine sehr müde Sekretärin döste an ihrem Schreibtisch unmittelbar vor dem Büro des Präsidenten. Ausschussvorsitzende des Parlaments trotteten herein, blieben eine Weile bei dem arg mitgenommen aussehenden Präsidenten, gingen wieder und fragten sich laut, wie ein derart kluger Mann sich in so
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