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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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eine blödsinnige Geschichte hatte hineinziehen lassen können. Kurz nach elf kam Leo mit dem jüngsten Lagebericht. Jack Kennedy und sein Bruder Bobby standen in einer Ecke und sprachen mit McGeorge Bundy, dem Berater für nationale Sicherheit. Leo, der an der Tür wartete, schnappte Gesprächsfetzen auf. »Dulles ist eine Legende«, sagte der Präsident gerade. »Mit einer Legende zu arbeiten ist schwer – er wird sich in sein Schwert stürzen müssen.«
    »Auch Bissell muss gehen«, warf Bobby ein.
    »Es war ein Fehler, dass ich Bobby zum Justizminister gemacht habe«, sagte Kennedy an Bundy gerichtet. »Auf dem Posten ist er nutzlos. Bobby sollte bei der CIA mitmischen.«
    »Die Einsicht kommt aber ein bisschen zu spät«, sagte Bobby.
    Bundy stimmte Bobby zu, aber aus einem anderen Grund. »Wer eine Behörde im Griff haben will, muss wissen, wie sie funktioniert. Die CIA hat ihre eigene Kultur –«
    »Und die ist mir ein völliges Rätsel«, gab Bobby zu.
    »Du durchschaust das schon«, wandte Kennedy ein.
    »Am Ende deiner zweiten Amtszeit bestimmt«, witzelte Bobby.
    Der Präsident sah Leo an der Tür und winkte ihn zu sich. »Wie lauten die neusten Nachrichten von Waterloo, Kritzky?«
    Leo reichte ihm den Bericht. Kennedy überflog ihn und las Bobby und Bundy einzelne Sätze vor: »Hundertvierzehn Tote, elfhundertdreizehn Gefangene, einige Dutzend Vermisste.« Er sah Leo an. »Irgendwelche Hoffnung, dass ein paar von den Vermissten noch gerettet werden?«
    Leo erkannte den PT-109-Kommandeur aus dem Zweiten Weltkrieg wieder, der um die Sicherheit seiner Männer besorgt war. »Ein paar von unseren Kubanern haben es in die Sümpfe geschafft«, erwiderte er. »Ein paar sind in einem Segelboot entkommen und wurden auf hoher See von einem Zerstörer aufgenommen.«
    Als Kennedy laut seufzte, hörte Leo sich selbst sagen: »Es hätte schlimmer kommen können, Mr. President.«
    »Wie?«, wollte Bobby wissen; er würde die CIA nicht so schnell wieder vom Haken lassen.
    Leo nahm all seinen Mut zusammen. »Es hätte gelingen können.«
    Kennedy quittierte das mit einem mutlosen Kopfschütteln. »Ein neuer Präsident tritt sein Amt in dem Glauben an, dass Geheimdienstleute verborgene Fähigkeiten besitzen, die weit über die normaler Sterblicher hinausgehen. Diesen Fehler mache ich kein zweites Mal.«
    »Das Problem jetzt ist Chruschtschow«, sagte Bobby. »Er wird dich für einen schwachen Staatenlenker halten, für jemand, der nicht die Nerven hat, eine angefangene Sache zu Ende zu führen.«
    »Er wird denken, Sie lassen sich einschüchtern«, stimmte Bundy zu.
    Kennedy wandte sich ab. Leo hörte ihn sagen: »Es gibt da einen Fleck auf dieser Erde, wo wir Chruschtschow beweisen können, dass wir uns nicht herumstoßen lassen, dass wir bereit sind, Einsatz zu zeigen und zu kämpfen, und das ist Vietnam.«
    »Vietnam«, sagte Bobby bedächtig, »könnte die Antwort auf unsere Gebete sein.«
    Der Präsident schob die Hände in die Taschen seines Jacketts und trat durch die Verandatür hinaus in den Garten. Der erste unverkennbare Hauch von Frühling lag in der Luft. Kennedy schlenderte in die Dunkelheit, tief in Gedanken versunken, wie er das erste politische Desaster seines Lebens bewältigen sollte.

 
    7 Washington, D.C.,
Freitag, 5. Mai 1961

    B
    obby Kennedy saß mit hochgerollten Hemdsärmeln in der Kriegszentrale im Erdgeschoss von Quarters Eye und fragte Leo aus. Die großen Kubakarten waren entfernt worden. Jetzt hingen vergrößerte U-2-Aufklärungsfotos von der Schweinebucht, die nach dem Debakel aufgenommen worden waren, an den Wänden. Sie zeigten halb im Sand begrabene zerstörte Panzer, Lastwagen und Jeeps, die Wracks von Landungsbooten und eine riesige Kubafahne, die über dem Neonschild von Blanco’s Bar flatterte. Bobby hatte die letzten zehn Tage mehr oder weniger hier bei der CIA verbracht, weil Jack Kennedy wollte, dass ein Mitglied des Kennedy-Clans sich mit den Funktionsweisen der Company vertraut machte.
    »Meiner Meinung nach«, sagte Leo, »stecken wir in einer Zwickmühle. Je mehr sachverständige Meinungen wir einholen, desto mehr verlieren wir an Sicherheit. Je mehr Menschen von einer Operation wissen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nach außen dringt.«
    »Wenn mehr Leute an der Schweinebucht-Sache beteiligt gewesen wären, hätte das Desaster dann verhindert werden können?«, wollte Kennedy wissen.
    Leo schüttelte den Kopf. »Darf ich offen reden?«
    Kennedy

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