Die Company
nickte. »Wenn Sie das nicht tun, kriegen wir beide Schwierigkeiten.«
Leo kratzte sich am Ohr. »Das Hauptproblem war nicht mangelnder Sachverstand. Das Hauptproblem war, dass der Präsident eine Operation aus der Eisenhower-Zeit geerbt hat, sie nicht abbrechen wollte und nur halbherzig dabei war. Dick Bissell dagegen war mit mehr als nur ganzem Herzen dabei. Es lag in der Natur der Sache, dass Kompromisse unerlässlich sein würden, um die beiden Sichtweisen kompatibel zu machen. Und ebendiese Kompromisse haben der Operation den Todesstoß versetzt. Es war ein Kompromiss, die Landung von Trinidad weg zu verlegen. Es war ein Kompromiss, alte B-26 zu verwenden. Es war ein Kompromiss, den ersten Luftangriff viel kleiner ausfallen zu lassen als ursprünglich geplant. Es war ein tragischer Kompromiss, den zweiten Luftangriff ganz zu streichen. Ich denke, ich verstehe, warum der Präsident die Operation klein halten wollte; als Oberbefehlshaber muss er den Kalten Krieg aus weltweiter Sicht betrachten. Wenn er amerikanische Flugzeuge oder Schiffe nach Kuba geschickt hätte, wäre Chruschtschow vielleicht gegen Berlin vorgegangen. Unser Problem hier war, dass an einem gewissen Punkt jemand in den sauren Apfel hätte beißen und sagen müssen, dass wir einen Kompromiss zu viel geschlossen haben. Das Risiko-Nutzen-Gleichgewicht stimmte nicht mehr. Die ganze Sache hätte abgeblasen werden müssen.«
Bobby richtete seine eisblauen Augen auf Leo. »Was hat euch davon abgehalten?«
Leo dachte über die Frage nach. »Hier koexistieren zwei Mentalitäten unter einem Dach. Es gibt die einen, die meinen, wir wären dazu da, der Gegenseite Geheimnisse zu stehlen und diese Geheimnisse dann zu analysieren. Und dann gibt es die anderen, die meinen, wir sollten Einfluss auf Ereignisse nehmen und sie nicht bloß vorhersagen – Wahlen manipulieren, Aufstände fördern, Beamte in hohen Positionen bestechen, damit sie Sand ins Getriebe streuen, schließlich sogar für uns unangenehme politische Köpfe eliminieren. Die Anhänger der zweiten Meinung hatten bei der Schweinebucht das Sagen. Und als die Karten gemischt waren und sie ein halbwegs viel versprechendes Blatt in der Hand hatten, wollten sie nicht mehr passen.«
»Zu welcher Seite gehören Sie denn?«
Leo lächelte. Es war ihm nicht entgangen, dass Bobby während seines zehntägigen Intensivkurses Geschmack an der Geheimdienstarbeit gefunden hatte, an den technischen Hilfsmitteln und den toten Briefkästen und so weiter. »Ich habe ein Bein in jedem Lager«, erklärte er schließlich.
»Immer schön vorsichtig?«
»Immer schön umsichtig. Wieso sollte man den Kalten Krieg mit nur einer Hand führen?«
Bobby zog die Augenbrauen hoch. »Sie haben mir ordentlich Stoff zum Nachdenken gegeben, Kritzky.« Er sah zur Wanduhr, dann stand er auf und schlenderte zu einer Gruppe von Mitarbeitern hinüber, die sich vor dem Fernseher versammelt hatten. Commander Alan Shepard war am Morgen als erster Amerikaner in einer Mercury-Kapsel von Cape Canaveral aus in den Weltraum gestartet; sollte Shepard lebend zurückkommen, könnten die Vereinigten Staaten – die Kennedy-Regierung – die Russen im Wettlauf um die Vormachtstellung im Weltraum einholen. Im Fernsehen vermeldete Walter Cronkite soeben, dass Shepard den höchsten Punkt seines Fluges erreicht hatte, hundertsechzehn Meilen über der Erde. Ein Telexgerät gleich neben dem Fernseher spuckte eine lange Papierschlange aus. Bobby ließ sie geistesabwesend durch die Finger gleiten und beugte sich dann interessiert vor, um den bereits entschlüsselten Text zu lesen.
TOP SECRET
Von: Dienststelle Mexico-City
An: Kermit Coffin
Betr.: Gerüchte aus Castro-Land
Der Dienststelle in Mexico-City sind Gerüchte aus linken Kreisen Lateinamerikas zu Ohren gekommen, dass Castro möglicherweise bereit ist, die in der Schweinebucht gefangen genommenen Soldaten gegen Lebensmittel und Medikamente im Wert von $ 50 Millionen, wiederhole, $ 50 Millionen, auszutauschen.
Bobby war über diese Geheiminformation so aufgeregt, dass er die Meldung abriss und damit zur Tür ging.
Harvey Torriti, gerade von einer seiner Martini-Kaffeepausen zurück und denkbar schlecht gelaunt, sah den Justizminister mit der Top-Secret-Meldung in der Hand zum Ausgang schlendern. »He, wo wollen Sie denn damit hin?«, fragte er.
Bobby starrte den dicken Mann, der ihm die Tür versperrte, mit wütenden Augen an. »Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie
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