Die Company
Company, zur Elite unserer Generation. Er scheut nicht vor brenzligen Situationen zurück, wie damals in Budapest, er kann aber auch in Ruhe abwarten, bis er sich eine Meinung gebildet hat. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund. Er ist der beste Mann für die Leitung der Sowjetrusslandabteilung. Ich habe so das Gefühl, dass er es noch weit bringen wird …«
»Was hatte Adelles Vater eigentlich so lange mit Leo und dir zu bereden?«
»Phil Swett wird ziemlich regelmäßig ins Weiße Haus eingeladen. Er hat erzählt, bei einem Mittagessen letzte Woche hätten die Kennedy-Brüder die ganze Zeit nur über Vietnam geredet. Adelle hat das auch schon im Büro des Vizepräsidenten mitbekommen. Lyndon Johnson hat sie gebeten, ein Positionspapier zu Vietnam aufzusetzen.«
»Was ist denn in Vietnam los, Jack?«
»Bis jetzt nicht viel. Ein kleiner kommunistischer Aufstand. Nach Kuba hat Kennedy anscheinend das Gefühl, er müsste Chruschtschow zeigen, dass er auch hart sein kann. Hart und zugleich unberechenbar. Und Vietnam wird das Paradebeispiel abgeben. Die Company baut ihre Basis dort aus. JFK will ein paar hundert Green Berets rüberschicken, die die antikommunistischen Soldaten ausbilden sollen.«
»Er soll lieber aufpassen, dass er da nicht in irgendwas reingezogen wird. Ich glaube nicht, dass das amerikanische Volk einen Krieg in Asien unterstützen würde.«
»Vietnam ist zu weit weg«, gähnte Jack. »Das merkt doch keiner.«
Die beiden neuen Mädchen und die beiden, die schon seit einem halben Jahr in der Villa lebten, hockten im Kreis auf dem Boden und spielten Mikado. Keines von ihnen trug einen Fetzen Stoff am Leib. »Ich bin noch immer dran«, sagte das knochige Mädchen mit den langen goldenen Locken, die ihm über den bloßen Rücken fielen.
»Du hast gemogelt«, beschwerte sich eines der neuen Mädchen. »Kein Wunder, dass du dauernd gewinnst.«
»Ich hab nicht gemogelt«, beteuerte das Mädchen mit dem goldenen Haar.
»Doch«, schaltete sich ein anderes ein.
»Gar nicht.«
»Wohl wahr.«
»Onkel, die sagen, ich würde mogeln«, rief das Mädchen mit dem goldenen Haar.
»Regelt das unter euch, meine Kleinen, ich hab zu tun«, brummte Starik vom anderen Ende des Raumes.
»Pah«, schmollte das Mädchen. »Dann spiel ich eben nicht mehr mit, wenn ihr nicht verlieren könnt.«
Starik, der an seinem Arbeitstisch saß, schlürfte kochend heißen Tee durch ein Zuckerstück, das er zwischen die Zähne geklemmt hatte, und las noch einmal den Text der letzten Meldung von SASHA. Ein Neuzugang, ein mageres Mädchen mit einem Gang wie eine Balletttänzerin, kam durchs Zimmer und schlang von hinten die Arme um ihn. »Onkel, da hast du aber ein schönes Buch«, raunte sie ihm ins Ohr.
»Das nennt man einen Weltatlas«, erklärte er; er war stolz darauf, dass seine »Nichten«, wie er die Mädchen nannte, wenn sie ihn wieder verließen, klüger waren als bei ihrer Ankunft.
»Und was ist das, ein Atlas?«, fragte das Mädchen und ließ dabei eine dünne Hand unter sein grobes Bauernhemd gleiten.
»Der Atlas, das ist die Welt. Sieh mal – auf jeder Seite sind Karten mit verschiedenen Ländern.«
»Gibt es so viele Länder auf der Welt, dass man ein ganzes Buch damit voll kriegt?«
»Allerdings, meine Süße.«
»Und was ist das für ein Land da, auf das du gerade guckst?«
»Das heißt Vietnam.«
Das Mädchen kicherte. »Von so einem Land hab ich aber noch nie gehört.«
»Ich kann dir versichern, das wirst du noch zur Genüge«, sagte Starik.
Der Einsatz des Zauberers als Leiter der Dienststelle in Rom begann mit einem üblen Missklang, weil er während der ersten Besprechung mit dem amerikanischen Botschafter einschlief. Der politische Attaché war mitten in seinem Vortrag, als der Kopf des Zauberers auf die Brust sank und er in seinem Sessel zur Seite kippte. Sein kariertes Sportjackett klaffte auf, der Revolver mit dem Perlmuttgriff rutschte aus dem Schulterhalfter und schepperte zu Boden.
»Haben wir Sie geweckt?«, erkundigte sich der Botschafter, als Torriti hochschreckte.
»Ich ruhe nur meine Augen aus, nicht mein Gehirn«, konterte der Zauberer und bückte sich, um seine Waffe aufzuheben. »Ich lausche jedem seiner Worte.«
»Es wäre sehr viel überzeugender, wenn es Ihnen gelänge, seinen Worten mit geöffneten Augen zu lauschen«, bemerkte der Botschafter trocken.
»Wieso gerade Rom?«, fragte der Botschafter bei Foggy Bottom in Washington an, als Torriti drei Tage später
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