Die Company
rutschte vom Sitz und zog seine ausgebeulte Hose hoch. »Denk dran, von wem du es zuerst gehört hast«, sagte er. »Jesus James Angleton ist SASHA.«
»Ich werd’s mir merken, Harvey.«
»Der Idiot hat gedacht, er könnte mich mit dem Halfter rumkriegen, aber ich bin ihm eine Nasenlänge voraus. Verdammt, vielleicht dreh ich mich ja im Teufelskreis, aber das tu ich schneller als alle anderen.«
Vor dem Excelsior blickte Torriti die menschenleere Straße hinauf und hinunter und überlegte, in welche Richtung er gehen und was er mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte. Mit Jack im Schlepptau taumelte er auf die amerikanische Botschaft zu, nur eine Querstraße weiter. Als er vor dem Tor ankam, erkannte ihn der junge Wachsoldat.
»Guten Morgen, Mr. Torriti, Sir.«
»Ganz bestimmt nicht«, rief der Zauberer Jack über die Schulter zu, als er an dem Wachmann vorbei Richtung Haupteingang watschelte. »Mein Kontrastbrei hatte nichts mit RAINBOW zu tun.« Er erreichte die Mauer, machte seine Hose auf, beugte die Knie und pinkelte gegen die Botschaft. »Das wüsste ich noch, Kumpel. So was würde sich mir im Schädel festsetzen wie ein gottverdammter Tumor.«
Jack holte den Zauberer ein. »Das kann ich mir vorstellen, Harvey.« Plötzlich sah er im Geist Roberto und Orlando und die anderen Kubaner in einem von Castros finsteren Kerkern zusammengepfercht. Er kniff die Augen zusammen, um das Bild zu vertreiben, und pinkelte ebenfalls gegen die Botschaft.
Torriti schien die Pfütze, die sich um seine Schuhe bildete, nicht zu bemerken. »Du bist noch immer der Zauberlehrling, hab ich Recht, Kumpel?«
»Der bin ich, Harvey. Der Zauberlehrling. Und darauf bin ich stolz.«
IV
Schlafende Hunde
Sie versuchte, sich vorzustellen,
wie eine Kerzenflamme aussieht,
nachdem sie ausgegangen ist.
LEWIS CARROLL, Alice im Wunderland
Foto: Ein Schwarzweißfoto, nachts mit einem ASA-2000-Film im Licht schmiedeeiserner Straßenlaternen aufgenommen, zeigt zwei Personen, die in der Mitte einer verlassenen Brücke aneinander vorbeigehen. Sie scheinen kurz stehen geblieben zu sein, um ein paar Worte zu wechseln. Der Ältere der beiden, ein hagerer Mann mit dicker Brille, fährt sich mit langen, knochigen Fingern durch das schüttere Haar. Die Geste lässt auf Nervosität schließen. Der andere Mann ist jünger und größer und trägt einen formlosen Regenmantel; er scheint zu lächeln, als hätte der andere einen Scherz gemacht. Das Foto stammt von einem Spiegel- Journalisten, der sich nach einem Tipp von der Organisation Gehlen in Pullach an der Brücke auf die Lauer gelegt hatte. Die CIA bekam Wind von dem Foto, bevor es abgedruckt werden konnte, und ließ das Negativ und sämtliche Abzüge von der deutschen Staatsanwaltschaft beschlagnahmen; sie wurden dem Leiter der Berliner Basis übergeben, der sie bis auf einen Abzug für das Archiv vernichtete. Quer über das Foto gestempelt sind die Worte »Streng geheim« und »Nur fürs Archiv«.
1 Washington,
D.C., Sonntag, 12. Mai 1974
D
ie jährliche Grillparty der Sowjetabteilung (der anachronistische Name Sowjetrusslandabteilung war endlich aufgegeben worden) im Garten von Leo Kritzkys neuem Haus in Georgetown war vom Regen überrascht worden, und die Gäste hatten sich ins Haus geflüchtet. So herrschte in der Küche, im Ess- und Wohnzimmer ein solches Gedränge, dass einige unten im Hobbykeller Zuflucht suchten. Leo, der Leiter der Abteilung, und seine Frau Adelle verteilten Hotdogs, während sich Ebby, seit zwei Jahren DD/O, durch das Gewühl schob und die Gäste mit frischen Flaschen Beaujolais versorgte. Dabei entdeckte er seinen Sohn Manny, der in einer Ecke mit Elizabets Tochter Nellie debattierte. Die beiden jungen Leute hatten sich seit neunzehn Monaten nicht gesehen. Nellie, inzwischen eine bezaubernde junge Frau von dreiundzwanzig Jahren, hatte gleich nach ihrem Juraabschluss in Harvard bei einer Versicherung in Hongkong gearbeitet und war nach Washington gekommen, um sich für einen neuen Job vorzustellen. Manny, ein zurückhaltender junger Mann mit ernster Miene, war kurz nach seinem Abschluss in Yale von der Company angeworben worden; er sprach fließend Russisch, leidlich Paschto, das in Afghanistan gesprochen wurde, und ein paar Brocken Tadschikisch.
»Vietnam ist der falsche Krieg am falschen Ort zur falschen Zeit«, sagte Manny, achtundzwanzig Jahre alt und Junioroffizier in Leos Sowjetabteilung.
»Du vergisst den verdammten
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