Die Company
betrunken zu einem Botschaftsempfang für den italienischen Außenminister erschien. »Es gibt Dutzende von Botschaften auf der ganzen Welt, wo man ihn vor Bobby Kennedy hätte verstecken können.«
Der Zauberer wiederum war nicht widerstandslos ins Exil gegangen. »Der Patriot Torriti wird nach Italien deportiert, während die Cosa-Nostra -Säcke Rosselli und Giancana weiter in Amerika bleiben dürfen«, hatte er auf der diskreten Abschiedsparty, die der scheidende DD/O Dick Bissell für ihn gab, ins Mikrofon geknurrt. Eine Hand voll Leute, die wussten, wovon Torriti sprach, hatten aufgelacht. Angleton, dünner und düsterer, als alle ihn in Erinnerung hatten, war erschienen und hatte dem Mann, den er bekanntermaßen hasste, ein Abschiedsgeschenk überreicht: ein von ihm selbst gemachtes Lederhalfter für Torritis kleine .38er. »Meine Güte, James, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, hatte der Zauberer gestottert, tatsächlich einmal um Worte verlegen.
In Rom versuchte der Zauberer einige Monate lang wirklich, seine Arbeit zu tun, doch die Situation wurde allmählich unhaltbar. Ein Oberst der Carabinieri nahm ihn mit zu einer Inspektionsfahrt an die jugoslawische Grenze und musste feststellen, dass Torriti im Fond des Fiat kräftig vor sich hin schnarchte. Es gab nächtliche Sauftouren, die vertuscht werden mussten, eine Affäre mit einer italienischen Schauspielerin, die in den Klatschspalten der römischen Presse landete, ein in aller Öffentlichkeit ausgetragener Streit mit dem Botschafter. Es gab zwei leichte Verkehrsunfälle, der erste mit einem Botschaftswagen, der zweite mit einem Auto, das ihm, so beteuerte ein Gebrauchtwagenhändler, gestohlen worden war und für das Torriti keinen Kaufbeleg vorweisen konnte. Auch diese Angelegenheit wurde vertuscht. Als der Juli kam, hatte der Zauberer sich angewöhnt, regelmäßig zu nostalgischen Wochenenden nach Berlin zu fliegen. Begleitet von ein oder zwei seiner ehemaligen Untergebenen aus der Berliner Basis, zog er dann durch die Kneipen, wo sein Name noch eine Legende war, oder streifte durch die dunklen Straßen in der Gegend vom Checkpoint Charlie, um ein bisschen Abenteuerluft zu schnuppern, wie er es ausdrückte. Am Sonntag, dem 13. August, stieg er um zwei Uhr morgens mit seinem alten Mossad-Freund Ezra Ben Ezra auf das Dach eines Mietshauses und sah zu, wie sowjetische Panzer in Position rollten und ostdeutsches Militär Stacheldraht an der Grenze zwischen West und Ost spannte. Hinter den Panzern und Soldaten tauchte eine ganze Armada von Bulldozern auf, die im Licht ihrer Scheinwerfer ein breites Niemandsland freiräumten, das später vermint werden sollte. »Das erreicht neun auf meiner Richterskala«, sagte der Rabbi zu seinem alten Freund. »Laut meinen Quellen ist das Chruschtschows Antwort auf die Schweinebucht – die werden eine große Chinesische Mauer quer durch Deutschland bauen und die kommunistische Zone von der freien Welt abriegeln.« Der Zauberer holte einen Flachmann aus der Tasche und bot dem Rabbi einen Schluck an. Ben Ezra winkte ab. »Es gibt nichts zu feiern«, sagte er bekümmert. »Von jetzt an wird es praktisch unmöglich, Juden da rauszuholen.«
Als Torriti noch in der Nacht nach Rom zurückkehrte, standen auf seinem Schreibtisch eine billige Flasche Whiskey und zwei Wassergläser. Ausgestreckt auf der Couch lag Jack McAuliffe. Bis zum Morgen tranken die beiden zusammen und schwelgten in Erinnerungen. Schließlich zog der Zauberer seinen Revolver mit dem Perlmuttgriff heraus, drehte die Trommel und legte sich die Waffe so aufs Knie, dass der Lauf direkt auf Jacks Magengrube zielte. »Ich bin nicht von gestern, Freundchen«, grollte er. »Du bist nicht den weiten Weg hergeschickt worden, um mit mir zu plaudern. Was verschweigst du mir?«
»Ich verschweige dir, dass du die Company in Verlegenheit bringst, Harvey.«
»Wer sagt das?«
»Der Botschafter hier in Rom sagt das. Der neue DD/O Dick Helms ist seiner Meinung. Und der neue DCI John McCone ebenfalls.«
»Die können mich alle mal.«
»Ich verschweige dir, Harvey, dass du schon zu lange dabei bist.«
»Du verschweigst mir, dass ich Schluss machen sollte, richtig?«
»Alles in allem wäre das wahrscheinlich das Beste, Harvey.«
»Ich bin froh, dass sie dich geschickt haben, Jack.« Der Zauberer, schlagartig nüchtern, setzte sich auf. »Soll ich noch weitermachen, bis mein Nachfolger hier ist?«
»Ich bin dein Nachfolger, Harvey.«
Torriti nickte teilnahmslos.
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