Die Company
fünfundvierzig, mittelgroß, gut aussehend auf eine grobe Art, mit den breiten Schultern und dem massigen Körper eines Ringers. Sein Blick war direkt und offen. Das Einzige, was auf Nervosität hindeutete, war, dass er ständig den Nagel des Mittelfingers gegen den Daumennagel schnippen ließ.
Manny hatte das ungute Gefühl, dass er es mit einem Profi zu tun hatte. »Agatha hat gesagt, Sie seien politischer Attaché …«
Kukuschkin grinste säuerlich. »Politischer Attaché ist meine Tarnung. Mein richtiger Name ist Klimow. Sergei Klimow. Mein derzeitiger Rang ist Hauptmann beim KGB.« Die Fingernägel des Russen klickten wie ein Metronom. »Offen gesagt, ich habe jemanden mit einem höheren Rang erwartet. Sie sind zu jung. Wenn ich mich einer Gehirnoperation unterziehen müsste, würde ich keinen jungen Chirurgen wollen. Das Gleiche gilt für Spione.«
»Mein Rang ist hoch genug, um diese Sache abzuwickeln, das versichere ich Ihnen. Würden Sie mir jetzt ein paar Hintergrundinformationen geben?«
Kukuschkin nickte widerwillig. »Ich habe mich im Studium mit dem kapitalistischen System befasst. Bevor ich nach Washington versetzt wurde, war ich im Direktorat S des Ersten Hauptdirektorats tätig, also in der Abteilung, die für KGB-Offiziere und -Agenten zuständig ist, die getarnt im Ausland operieren. Dabei sind sehr viele Telegramme durch meine Hände gegangen. Ich bin seit vierzehn Monaten in Washington. Meine Hauptaufgabe hier ist die Analyse der Beziehung zwischen dem Weißen Haus und dem Kongress. Normalerweise endet mein Einsatz hier in sieben Monaten, manchmal wird die Dienstzeit auf zweieinhalb, höchstens drei Jahre verlängert.«
»Und Sie möchten auf unsere Seite wechseln?«, fragte Manny vorsichtig.
»Ich möchte politisches Asyl.« Der Russe sah aus, als müsste er gleich kotzen. »Für mich«, fügte er hinzu, »für meine Frau und für meine siebenjährige Tochter.«
»Warum?«
»Ich verstehe die Frage nicht.«
»Was hat Sie zu der Entscheidung gebracht, die Seite zu wechseln?«
»Hören Sie, ich verstehe, dass Sie das Motiv wissen möchten, damit Sie einschätzen können, ob ich ein echter oder ein falscher Überläufer bin, aber dafür haben wir heute Abend nicht viel Zeit. Ich sage Ihnen, dass eine der Absurditäten des Kalten Krieges darin besteht, dass operative Mitarbeiter des KGB, vor allem die im Westen stationierten, die Stärken und Schwächen der kapitalistischen Welt besser verstehen als der russische Durchschnittsbürger. Ich bin das lebende Beispiel dafür. Die Korruption, die Untauglichkeit des sowjetischen Sozialismus haben mich desillusioniert. Ich glaube an Russland, nicht an Sowjetrussland.«
Kukuschkin beugte sich vor und sprach mit gebremster Leidenschaft. »Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass es noch einen Grund gibt. Meine Frau ist herzkrank – sie nimmt seit vielen Jahren Medikamente. Sie wird in der Botschaft von einem russischen Arzt behandelt. Ich möchte, dass sie einen amerikanischen Arzt und amerikanische Medikamente bekommt.«
»Wie lange sind Sie schon desillusioniert?«
Kukuschkin hob langsam eine Hand hoch, die Innenfläche nach oben. »Desillusionierung wächst nicht wie ein Pilz über Nacht. Sie wächst viele, viele Jahre, bis sie den Kopf und das Herz vergiftet.«
»Waren Sie bereits desillusioniert, als Sie vor vierzehn Monaten nach Washington kamen? Brauchte Ihre Frau da bereits ärztliche Hilfe?«
Der Russe nickte müde; er war nicht sicher, wohin die Fragen führten.
Manny beugte sich weit vor. »Warum sind Sie dann nicht schon vor vierzehn Monaten übergelaufen?«
Kukuschkins Blick schweifte zum ersten Mal von Manny ab. » Ne wosmoshno! «, sagte er leiser und mit Inbrunst in der Stimme.
Manny hakte nach. »Es war nicht möglich? Wieso nicht?«
Nur das Klicken seiner Nägel durchbrach die Stille, während der Russe über die Frage nachdachte. »Der KGB-Resident in Washington, Borisow, ist ein früherer Kommilitone von der Lomonosow-Universität – wir haben zwei Jahre zusammengewohnt. Der Resident ist sehr offen zu mir, er erzählt mir so einiges, wenn wir spätabends in seinem Büro Whiskey trinken. Von ihm weiß ich, dass der KGB einen, wie ihr sagt, Maulwurf in eurer CIA hat; sein Deckname ist SASHA. Dieser SASHA hat eine sehr wichtige Position« – eine von Kukuschkins massigen Händen deutete Sprossen auf einer Leiter an – »irgendwo hoch oben in eurer Organisation. Es ist nicht möglich überzulaufen, wenn SASHA in Washington ist
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