Die Company
zerlesenen Ausgaben von Spionageromanen, die sich auf einem Bücherregal stapelten.
Auch heute Nacht war alles wie immer. Als Erstes blätterte Manny den National Intelligence Daily durch, einen hausinternen Rundbrief, der frisch aus der Druckerei im Keller gekommen war und nur für eine äußerst begrenzte Leserschaft am Morgen bestimmt war. Hinter ihm inspizierten Techniker vom Sicherheitsbüro in blütenweißen Overalls die Geräte, die die Fensterscheiben vibrieren ließen, um zu verhindern, dass der KGB mit Laserstrahlen Gespräche abhörte. Auf einem Regal stand eine Reihe Fernsehapparate, auf denen die wichtigsten Sender eingeschaltet waren, um ständig die Nachrichten verfolgen zu können. Rangniedrigere Offiziere aus den verschiedenen Abteilungen saßen an einem riesigen ovalen Tisch und sichteten die Telexe, die laufend aus den Stationen auf der ganzen Welt eintrafen, um sie je nach Sicherheitsstufe zu sortieren und die dringlichsten in den Eingangskorb des Dienst habenden Offiziers zu werfen. Manny sah auf die Wanduhr – er hatte noch gut zehn Stunden vor sich – und nahm sich, ein Gähnen unterdrückend, die Telegramme vor, die von den Dienststellen rund um den Globus eingegangen waren.
Im ersten Packen war nichts, wofür er einen seiner Vorgesetzten aus dem Bett hätte klingeln müssen. Eine Meldung aus Kairo berichtete von personellen Veränderungen im ägyptischen Geheimdienst Muhabarat. Die Beiruter Filiale meldete erneut, dass sich im Libanon ein Bürgerkrieg zwischen islamischen Fundamentalisten und christlichen Arabern anbahnte. Die PLO, die sich in den wachsenden palästinensischen Flüchtlingslagern fest etabliert hatte, hortete Waffen und kündigte großspurig an, vom Norden des Libanon aus Raketenangriffe auf Israel zu starten. Saigon schlug Alarm: die Lage in Vietnam spitzte sich rascher zu als erwartet; die CIA bereitete zusammen mit der Marine Pläne zur Evakuierung von fünfzehnhundert amerikanischen Zivilisten vor, falls die nordvietnamesischen Truppen die südvietnamesischen Linien durchbrachen und zur Hauptstadt vorstießen. Paris prophezeite einen Wahlsieg des Republikaners Valéry Giscard d’Estaing gegen den Sozialisten François Mitterrand. Die Lissabonner Dienststelle war besorgt darüber, dass die Kommunisten in der sozialistisch ausgerichteten Militärjunta, die soeben durch einen Putsch in Portugal an die Macht gekommen war, NATO-Geheimnisse an Moskau verraten würden.
Um 22.00 Uhr leuchtete die grüne Lampe über der Tür der Operationszentrale auf. Der Wachmann spähte durch das Einwegfenster und rief dann: »Kaffee ist fertig.« Die Mitarbeiter, froh über die kleine Abwechslung, eilten nach draußen und kamen mit dampfenden Kaffeebechern zurück. Als Manny gerade wieder den Raum betrat, setzte eine junge Telefonistin ihren Kopfhörer ab und rief: »Mr. Ebbitt, ich hab hier eine Frau auf der externen Leitung, die den Chef vom Dienst sprechen möchte. Sie sagt, es geht um Leben und Tod.«
»Stellen Sie sie durch«, sagte Manny. Er nahm den Hörer von dem grünen Telefon auf seinem Schreibtisch. »Ja?«
Die nervöse Stimme der Anruferin drang an sein Ohr. »Ich muss dringend den Chef vom Dienst sprechen. Schnell.«
»Würden Sie mir bitte sagen, wie Sie heißen und worum es geht –« setzte Manny an, doch die Frau fiel ihm ins Wort.
»Verflixt noch mal, lassen wir das Gerede. Das Leben eines Mannes hängt von diesem Anruf ab. Wir haben nicht viel Zeit – er muss um elf wieder in der Botschaft sein. Verbinden Sie mich mit jemandem, der bei Ihnen das Sagen hat.«
Manny setzte sich aufrecht hin und drückte die Aufnahmetaste des Tonbandgeräts, das an das Telefon angeschlossen war. »Sie sprechen mit dem Dienst habenden Offizier, Ma’am.«
Die Frau holte tief Luft. »Gut, es geht um Folgendes. Mein Name ist Agatha Ept, E-p-t. Ich arbeite im Patentamt. Freitag vor einer Woche habe ich bei einer Ausstellungseröffnung im Smithsonian einen russischen Diplomaten kennen gelernt. Er hat sich mir als politischer Attaché vorgestellt, und wir sind ins Plaudern gekommen. Er hat gesagt, er würde mich gern wieder sehen, und ich dachte, warum nicht? Also haben wir uns letzten Sonntag zum Lunch getroffen.« Die Frau legte eine Hand auf die Sprechmuschel und sprach mit jemandem im Raum. »Dazu komme ich gleich«, hörte Manny sie sagen. Dann war sie wieder in der Leitung. »Wo war ich stehen geblieben?«
»Sie haben sich zum Lunch getroffen«, sagte Manny.
»Ach ja. Also, mein
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