Die Company
festgenommen.«
»Er könnte durchaus von einem sowjetischen Spion innerhalb der ungarischen Widerstandsbewegung verraten worden sein.«
Angleton schüttelte den Kopf. »Der AVH-Oberst, der Elliott verhört hat, kannte sich ausgezeichnet in dessen Personalakte aus: Er wusste, dass Elliott in Frank Wisners Abteilung für Geheimoperationen war, er wusste, dass Elliott in der Frankfurter Filiale Agenten ausgebildet hat, die hinter dem Eisernen Vorhang abgesetzt wurden, er wusste sogar, dass Elliotts Vorgesetzter in der Frankfurter Filiale Anthony Spink hieß.«
Leo fiel das Kinn auf die Brust, und er riss es ruckartig wieder hoch.
»Sie sind einer der siebenunddreißig Offiziere, deren Initialen auf Unterlagen auftauchen, die mit Ebbitts Mission zu tun haben. Ich nehme an, Sie wollen das auch dem Zufall zuschreiben.«
Leo sagte schwach: »Was ist mit den anderen sechsunddreißig?«, doch Angleton hatte schon umgeblättert und versuchte, seine eigene Handschrift zu entziffern. »Anfang November 1956 waren Sie dabei, als der DCI und der DD/O Präsident Eisenhower im Weißen Haus über die amerikanische Militärbereitschaft in Europa im Falle eines Krieges unterrichteten.«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Was hat Eisenhower unseren Leuten gesagt?«
»Er hat gesagt, er wünschte bei Gott, den Ungarn helfen zu können, aber er könne es nicht.«
»Wieso?«
»Er und John Foster Dulles befürchteten, eine amerikanische Intervention würde einen Bodenkrieg auslösen, worauf wir nicht vorbereitet waren.«
»Es liegen uns zahlreiche Indizien dafür vor, dass das sowjetische Politbüro bezüglich einer Intervention gespalten und Chruschtschow unentschlossen war. Dann, aus heiterem Himmel, hat er sich für eine Intervention ausgesprochen. Der Grund dafür war nicht zufällig der, dass Sie Eisenhowers Bemerkung weitergeleitet haben, oder?«
»Ich habe den Russen rein gar nichts verraten«, beteuerte Leo. »Ich bin kein russischer Spion. Ich bin nicht SASHA.«
»Das haben Sie schon beim Lügendetektortest abgestritten.«
»Ja. Und ich streite es auch jetzt ab.«
»Unsere Experten für Lügendetektortests haben festgestellt, dass Sie gelogen haben.«
»Dann irren sie sich, Jim.« Leo wedelte matt mit einer Hand, um den Zigarettenqualm zu vertreiben. »Ich bin aufgewühlt. Ich bin erschöpft. Ich weiß nicht mehr, ob wir Tag oder Nacht haben.
Ich habe das Zeitgefühl verloren. Manchmal weiß ich nicht mehr, was ich kurz vorher zu Ihnen gesagt habe. Die Worte, die Gedanken entgleiten mir. Ich kann sie nicht mehr fassen. Ich muss schlafen, Jim. Bitte lassen Sie mich schlafen.«
»Sie brauchen mir nur die Wahrheit zu sagen, und ich mache das Licht aus und lasse Sie so lange schlafen, wie Sie möchten.«
Ein Funken Verbitterung blitzte auf. »Sie wollen gar nicht die Wahrheit. Sie wollen, dass ich Lügen zur Wahrheit erkläre. Sie brauchen mich als Rechtfertigung für all die Jahre, die Sie die Company schon auf der Suche nach SASHA umkrempeln. Sie haben noch nie einen Maulwurf aufgespürt, stimmt’s? Aber während Ihrer Suche nach einem haben Sie über hundert Leuten aus der Sowjetabteilung die Karriere versaut.« Leo leckte sich getrocknetes Blut von den Lippen. »Sie kriegen mich nicht klein, Jim. Das hier kann bis in alle Ewigkeit so weitergehen.« Er blickte wild auf; von dem grellen Deckenlicht tränten ihm die Augen. »Ich weiß, Sie nehmen alles auf Band auf. Irgendwann wird irgendwer die Abschrift lesen. Am Ende wird man von meiner Unschuld überzeugt sein.«
Angleton blätterte weiter. »Erinnern Sie sich an den russischen Handelsattaché in Madrid, der uns den sowjetischen Chiffrierschlüssel zum Kauf angeboten hat, aber vor der Lieferung unter Drogen gesetzt und auf schnellstem Wege mit einer Aeroflot-Maschine nach Moskau geschafft wurde?«
Millie brachte Anthony ins Bett und ging dann nach unten ins Wohnzimmer, wo Jack sich gerade einen Whiskey eingoss. In letzter Zeit steuerte er schnurstracks auf die Bar zu, wenn er nach Hause kam. »Tut mir Leid«, brummte er, weil er wieder einmal viel zu spät von der Arbeit gekommen war, um Anthony bei den Hausaufgaben zu helfen oder mit Millie etwas zu unternehmen.
»Sag nichts – lass mich raten: Du hattest wieder einen harten Tag«, bemerkte Millie gereizt. Es stand ihm im Gesicht geschrieben, in den Sorgenfalten um die Augen. Am Mittag hatte sich Millie mit Elizabet zum Essen getroffen; Ebby war auch schon seit Wochen schlecht gelaunt, was die beiden Frauen
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