Die Company
das Schlimmste befürchten ließ. Anhand ihrer Beobachtungen spielten sie die verschiedenen Möglichkeiten durch: Einer oder beide Ehemänner waren entlassen worden oder sollten strafversetzt werden; eine wichtige Operation war fehlgeschlagen; ein Freund oder Kollege war tot oder lag im Sterben oder verfaulte irgendwo auf der Welt in einem kommunistischen Gefängnis. Das Schlimmste daran war für beide Frauen, dass sie mit ihren Männern nicht über deren Probleme sprechen konnten. Sobald sie das Thema anschnitten, machten sie dicht und flüchteten zur Hausbar. »Jack«, flüsterte Millie, als sie sich neben ihn auf die Couch setzte, »wie lange soll das noch so weitergehen?«
»Was?«
»Ach, hör auf. Irgendwas stimmt doch nicht. Hat es mit uns zu tun? Mit unserer Ehe?«
»Um Gottes willen, nein«, sagte Jack. »Es hat nichts mit uns beiden zu tun. Es ist dienstlich.«
»Ist was Schlimmes passiert?«
»Was Schreckliches. Aber es ist besser, wenn du es nicht weißt, Millie. Du könntest sowieso nicht helfen«, sagte Jack und kippte die Hälfte seines Whiskeys hinunter.
»Ehefrauen sind dafür da, ihren Männern zu helfen, wenn sie Probleme haben. Es tut schon gut, nur darüber zu sprechen. Versuch’s doch mal.«
Sie sah, dass er mit sich rang. Er öffnete sogar den Mund, um etwas zu sagen. Doch dann legte er nur einen Arm um Millie und zog sie an sich. »Erzähl mir, wie dein Tag war«, sagte er.
Millie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Ich habe fast die ganze Zeit an einer Pressemitteilung über das Gesetz für Informationsfreiheit gearbeitet. Herrje, wenn der Kongress das verdammte Gesetz verabschiedet, kann die CIA sich vor Anträgen auf Akteneinsicht nicht mehr retten.«
Jack nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Es war schon immer schwierig, die Notwendigkeit eines Geheimdienstes, seine Geheimnisse zu bewahren, mit dem Recht der Öffentlichkeit auf Information in Einklang zu bringen. Daran wird sich auch nichts ändern.«
»Du überraschst mich, Jack – ich hab gedacht, du wärst grundsätzlich gegen das Gesetz für Informationsfreiheit.«
»Solange es die nationale Sicherheit nicht tangiert, finde ich nichts Schlimmes dabei.«
»He, auf deine alten Tage wirst du noch richtig liberal.«
Jacks Blick wanderte zu einem gerahmten Foto an der Wand, das zwei Männer Anfang zwanzig zeigte; sie trugen ärmellose Trikothemden mit einem großen Y auf der Brust und posierten vor einem Rennruderboot. Eine dünne Frau in einem knielangen Rock und einem Männerpullover mit Uni-Emblem stand etwas abseits. In verblichener Druckschrift stand auf dem gezackten weißen Rand des Fotos, von dem ein Abzug auch bei Leo zu Hause an der Wand im Wohnzimmer hing: Jack, Leo und Stella nach dem Rennen, aber vor dem Sündenfall. »Ich glaube an unsere offene Gesellschaft«, sagte Jack. »Ich kämpfe weiß Gott schon lange genug dafür. Ich glaube, dass jeder das Recht auf einen fairen Prozess hat. Ich glaube, jeder hat das Recht zu hören, was man ihm vorwirft, und seine Ankläger zur Rede zu stellen.«
Millie streichelte Jack den Nacken. »Sag schon, Jack, was ist los in eurem Laden?«
Er beschloss, das Thema zu wechseln. »Habt ihr noch immer Personalknappheit in der PR?«
Millie seufzte. »Geraldine ist in die Privatwirtschaft gegangen. Und Florence hat Mutterschaftsurlaub – stell dir vor, sie hat gestern einen Ultraschall machen lassen, und dabei ist rausgekommen, dass es ein Mädchen wird. Sie war enttäuscht – ihr Mann hätte lieber einen Jungen gehabt –, aber ich habe ihr gesagt, sie könne froh sein.«
Jack hörte kaum zu. »Wieso?«, fragte er geistesabwesend.
»Ich spreche schließlich aus Erfahrung – es ist schon verdammt schwer, mit einem Mann zu leben, mit zwei Männern ist es doppelt schwer. Ich meine, zwei Männer unter ein und demselben Dach sind einer Frau allein schon zahlenmäßig überlegen –«
Jack starrte Millie plötzlich aufmerksam an. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ich habe gesagt, zwei Männer im Haus sind einer Frau zahlenmäßig überlegen –«
»Zwei Männer sind der Frau zahlenmäßig überlegen?«
»Was ist los, Jack?«
»Und die zwei Männer, die der Frau zahlenmäßig überlegen sind – einer ist der Ehemann, und der andere ist der erstgeborene Sohn!«
»Ja, klar. Das sollte bloß ein Witz sein, Jack.«
»Wenn Florence einen Jungen zur Welt bringen würde, dann könnte ich ihr also eine Karte schicken mit dem Text ›Glückwunsch zum Zweiten Mann‹?«
»Ja,
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