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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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betrunken gewesen.«
    »Aha, jetzt fällt es Ihnen also doch wieder ein. Die Moskauer Dienststelle hat den Polizeibericht an uns weitergeleitet, der in der Prawda abgedruckt war; darin heißt es, der Tote habe einen hohen Alkoholpegel gehabt. Ein Journalist, der beim selben Radiosender arbeitete wie unser Mann, hat gesagt, er sei völlig nüchtern gewesen, als er am Abend zuvor von zwei Fremden abgeholt wurde. Am nächsten Morgen wurde sein Leichnam auf den Gleisen gefunden. Die Akte, in der die Anwerbung des Journalisten erwähnt wird, trägt Ihre Initialen. Und Sie wollen behaupten, das ist ein Zufall –«
    »Ich habe seit Tagen … keine Verdauung gehabt. Ich habe Bauchkrämpfe. Ich möchte einen Arzt –«
    James Angleton blickte von seiner Akte auf, eine durchweichte Zigarette zwischen den Lippen. »Im August 1959 wurden zwei aus je sechs Leuten bestehende Taucherteams aus Taiwan geschnappt, als sie an der chinesischen Küste an Land gingen, und am nächsten Morgen erschossen. Erinnern Sie sich an den Vorfall?«
    »Ich erinnere mich an den Vorfall, Jim. Genau wie beim letzten Mal, als Sie gefragt haben. Genau wie beim vorletzten Mal. Ich erinnere mich bloß nicht daran, dass ich den Operationsbefehl auf dem Weg zum DD/O mit meinen Initialen versehen habe.«
    Angleton holte eine Fotokopie des Operationsbefehls hervor. »Kommen Ihnen die Initialen LK oben rechts in der Ecke bekannt vor?«, fragte er, die Kopie hochhaltend.
    Leo Kritzky schwankte auf seinem Stuhl, versuchte, sich zu konzentrieren. Die Augen schmerzten ihn, weil ihm die grellen Deckenlampen selbst dann noch durch die Lider brannten, wenn er sie geschlossen hatte. Er hatte einen struppigen Stoppelbart, und sein Gesicht war schmal und eingefallen. Sein Haar fing an, weiß zu werden, und löste sich in Büscheln, wenn er mit den Fingern hindurchfuhr. Die Haut an den Händen war wie Pergament. Die Gelenke taten ihm weh. Er spürte seinen Puls in der Schläfe pochen, er hörte ein schrilles Klingeln im rechten Ohr. »Ich kann nicht … scharf sehen«, rief er Angleton in Erinnerung. Vor Müdigkeit zitternd, biss Leo sich auf die Lippen, um das Schluchzen zu unterdrücken, das aus der Tiefe seines Körpers nach oben stieg. »Verdammt, Jim, seien Sie doch nachsichtig …«
    Angleton wedelte mit dem Blatt vor Kritzkys Augen. »Strengen Sie sich an.«
    Leo zwang seine Augen auf. Das LK wurde langsam scharf, ebenso andere Initialen. »Ich war nicht der Einzige, der den Operationsbefehl abgezeichnet hat.«
    »Sie waren nicht der Einzige, der die einhundertfünfundvierzig Operationsbefehle abgezeichnet hat, die zur Folge hatten, dass Agenten verhaftet und vor Gericht gestellt und exekutiert wurden. Aber Ihre Initialen befanden sich auf allen hundertfünfundvierzig. War das auch alles Zufall?«
    »Zwischen 1951 und heute haben wir rund dreihundertsiebzig Agenten verloren. Was bedeutet, dass mein Name« – Leo konnte nicht mehr rechnen, und seine Stimme erstarb – »mit einer ganzen Menge nicht verbunden war.«
    »Ihr Name war mit zweihundertfünfundzwanzig nicht verbunden. Aber schließlich sind eine ganze Menge Papiere auch nicht durch Ihre Hände gegangen, weil Sie entweder noch zu weit unten auf der Karriereleiter standen oder nicht in der Stadt oder nicht informiert oder vorübergehend anderweitig im Einsatz waren.«
    »Ich schwöre, ich sage die Wahrheit, Jim. Ich habe nie irgendjemanden an die Russen verraten. Nicht den russischen Journalisten, der in Moskau ums Leben gekommen ist. Nicht die Chinesen, die an der Küste ihrer Heimat geschnappt wurden. Nicht die Polin, die Mitglied des Zentralkomitees war.«
    »Die Kubaner in der Schweinebucht haben Sie auch nicht verraten.«
    »Gott, nein. Ich habe die Kubaner nicht verraten.«
    »Sie haben den Russen nicht gesteckt, dass die Landung von Trinidad in die Schweinebucht verlegt worden war?«
    Kritzky schüttelte den Kopf.
    »Irgendwer hat es den Russen gesteckt, weil Castros Panzer und Artillerie nämlich schon warteten, als die Brigade an Land kam.«
    »Der Generalstab hat die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Castros Truppen dort ein Manöver durchgeführt haben.«
    »Mit anderen Worten, wieder ein Zufall?«
    »Ein Zufall. Ja. Warum nicht?«
    »Es hat im Laufe der Jahre eine Menge Zufälle gegeben«, fuhr Angleton fort. »Zum Beispiel anno 1956. Da wurde der derzeitige DD/O Elliott Ebbitt undercover nach Budapest geschickt. Wenige Tage später wurde er von der ungarischen Geheimpolizei AVH

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