Die Company
sicher. Wenn du ihren Mann als den ersten Mann zählst.«
Ebby war ganz nah dran gewesen: Die Antwort lag praktisch direkt vor seiner Nase, man musste bloß das Problem von der richtigen Seite betrachten. Jack sprang auf, schnappte sich sein Jackett und eilte zur Haustür.
»Wo willst du hin, Jack?«
»Ich muss den Ersten Mann finden.«
Adelle war mit ihrer Weisheit am Ende. In den letzten fünf Wochen hatte sie zweimal mit Director Colby gesprochen. Das erste Mal hatte er angerufen, um sich dafür zu entschul digen, dass er Leo ohne Vorwarnung so überstürzt nach A sien abkommandiert hatte; er hatte sie gebeten, einen Koffer zu packen, den er von einem Wagen hatte abholen lassen. Dann waren drei Wochen ohne ein Wort von Leo verstrichen, und Adelle hatte Colby angerufen. Es bestehe kein Grund zur Sorge, hatte er ihr versichert. Leo gehe es gut, und er habe einen wichtigen Auftrag; mit Leos Hilfe, so Colby, werde hoffentlich bald eine äußerst brenzlige Angelegenheit geklärt. Es tue ihm Leid, dass er ihr nicht mehr sagen könne. Er zähle selbstverständlich auf ihre Diskretion; je weniger Leute wüssten, dass Leo nicht in der Stadt war, desto besser. Adelle hatte gefragt, ob sie ihrem Mann einen Brief zukommen lassen könne, und Colby hatte ihr ein Postfach genannt, an das sie schreiben könne, und ihr versprochen, sich umgehend zu melden, wenn er Neuigkeiten von Leo hatte.
Ihre beiden Briefe waren unbeantwortet geblieben.
Inzwischen waren fünf Wochen seit ihrer Rückkehr aus Frankreich vergangen, und sie hatte noch keine direkte Nachricht von Leo erhalten. Vanessa stellte immer häufiger Fragen; Daddy war noch nie einfach so verschwunden, sagte sie. In einer Woche feierte Philip Swett seinen achtzigsten Geburtstag, und Leo würde bei der großen Party nicht dabei sein. Vanessa, die ihren Vater über alles liebte, wirkte so besorgt, dass Adelle sie schließlich einweihte; Leo sei mit einem ungeheuer wichtigen Auftrag nach Asien geschickt worden, erklärte sie ihr. Wieso sollte die Company den Leiter der Sowjetabteilung nach Asien schicken?, wandte Vanessa ein. Das sei doch unlogisch, oder? Nicht unbedingt, erwiderte Adelle. Sowjetrussland erstrecke sich nun mal bis nach A sien; aus der Zeitung wisse sie, dass es auf der Halbinsel Kamtschatka einen U-Boot- und Raketenstützpunkt gebe, der doch für die CIA von großem Interesse sein müsse.
Die Antwort stellte Vanessa zwar zufrieden, doch Adelle hatte das ungute Gefühl, dass Colby nicht aufrichtig zu ihr gewesen war. Also beschloss sie, ihren Vater zu bitten, sich um nähere Auskünfte über Leos Verbleib zu bemühen.
»Soll das heißen, du hast seit fünf Wochen nichts von deinem Mann gehört?«, fragte Swett fassungslos, nachdem Adelle ihm das Problem geschildert hatte.
»Kein einziges Wort, Daddy.«
»Und dieser Colby hat gesagt, er hätte ihn nach Malaysia geschickt?«, fragte Swett, der im Alter etwas schwerhörig geworden war.
»Nicht Malaysia, Daddy. Asien.«
»Meine Güte, der Sache geh ich auf den Grund«, versprach er seiner Tochter und rief das Sekretariat von Henry Kissinger im Außenministerium an.
Kissinger rief kurz darauf zurück. »Phil, was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
Swett erläuterte ihm, dass sein Schwiegersohn Leo Kritzky, Leiter der Sowjetabteilung in Langley, wie vom Erdboden verschwunden sei und dass Colby seiner Tochter das Märchen aufgetischt habe, Kritzky sei auf einer Mission in Asien.
»Wo liegt das Problem?«, wollte Kissinger wissen.
»Herrgott, Henry, der Bursche ist seit fünf Wochen verschwunden, und meine Tochter hat weder einen Brief noch einen Anruf von ihm bekommen, nichts.«
Kissingers Büro rief Swett am selben Nachmittag zurück. Ein Berater des Außenministers hatte in Langley nachgefragt. Kritzky sei offenbar im persönlichen Auftrag des DCI unterwegs. Die Company habe nähere Informationen verweigert und wünsche keine weiteren Erkundigungen.
Swett wusste, dass ihm eine Abfuhr erteilt worden war. Er würde sich diesen Colby vorknöpfen, wenn er ihm begegnete, nahm er sich vor. Schließlich hatte es einmal eine Zeit gegeben, in der Harry Truman ihm seine Reden zur Generalprobe vorgetragen, Dwight Eisenhower ihn um Rat gefragt und der junge John F. Kennedy sich bei ihm über den Irrsinn ausgelassen hatte, der CIA zu gestatten, eine Invasion von Kuba zu planen. Charles de Gaulle hatte das Problem richtig erkannt, bevor er vier Jahre zuvor gestorben war: Im Alter gehört man zum alten
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