Die Company
Eisen, hatte er gesagt. In einer Woche wurde Swett achtzig. Bald würde man ihn nicht mal mehr zurückrufen, wenn er jemanden anzurufen versuchte.
Philip Swett legte sich auf die Couch, um sein Nachmittags-Schläfchen zu halten, und nahm sich vor, gleich danach seine Tochter anzurufen. Es war gut möglich, dass Kritzky wirklich in Asien war, wie Colby gesagt hatte; es war gut möglich, dass er rechtzeitig zu Swetts verdammter Geburtstagsparty zurück war. Wenn nicht, wäre Swett auch nicht traurig. Er fragte sich noch immer, was seine dickköpfige Tochter eigentlich an Kritzky fand. In letzter Zeit hatte sie Andeutungen gemacht, dass ihre Ehe nicht mehr ganz so gut lief. Na, wenn sie sich von dem jüdischen Burschen scheiden ließ, würde er jedenfalls keine Träne vergießen …
Ein Faden Mondlicht stahl sich durch die Lücke zwischen den Vorhängen am Fenster und schnitt eine silberne Furche in die Bodendielen. Manny lag hellwach auf dem großen Bett und lauschte Nellies Atem, ein Ohr an ihren Rücken gepresst. Am Abend zuvor waren sie in einem kleinen französischen Restaurant in Georgetown gewesen und, angeheitert vom Beaujolais Nouveau, zu Nellie nach Hause geschlendert. Manny war stiller als sonst gewesen, und Nellie hatte genau gespürt, dass er mit den Gedanken woanders war. Ich könnte dich ablenken, hatte sie geraunt und sich an ihn geschmiegt. Und als sie sich die Spaghettiträger ihres schwarzen Minikleids von den Schultern streifte, war ihr das auch wirklich gelungen.
Hinterher hatte Nellie ihn gefragt: »Wieso?«
»Wieso was?«
»Wieso heute Abend? Wieso hast du mit mir geschlafen?«
»Ich habe endlich begriffen, dass das Ziel von Geschlechtsverkehr Intimität ist, und nicht umgekehrt. Aus Gründen, über die ich nicht reden darf, fand ich das plötzlich sehr wichtig – ich brauchte das Gefühl, einer guten Freundin nahe zu sein.«
»Manny, ich glaube, das ist das Netteste, was je ein Mann zu mir gesagt hat«, hatte sie schon ganz verschlafen geflüstert. »Inzest ist eindeutig besser … als Masturbieren.«
Jetzt, da sie schlief, musste Manny wieder an sein letztes Treffen mit AE/PINNACLE am späten Nachmittag in Agathas Wohnung denken. Kukuschkin hatte nervöser als sonst gewirkt und war im Wohnzimmer auf und ab getigert, während er seine letzten Informationen lieferte.
– Die Moskauer Zentrale hatte den angeblich vom chinesischen Ministerpräsidenten Tschou En-lai stammenden und im Monat zuvor in einer afrikanischen Zeitung abgedruckten Brief gefälscht, in dem zum Ausdruck kam, dass Tschou die Kulturrevolution für einen politischen Fehler hielt.
– Der KGB finanzierte eine kostspielige, weltweite Kampagne zur Unterstützung der Ratifizierung des geänderten ABM-Vertrags, der den USA und der Sowjetunion je ein System zur Abwehr ballistischer Interkontinentalraketen erlaubte.
– Die Russen waren überzeugt, dass Nixons Behauptung, er habe das amerikanische biologische Waffenprogramm Ende der Sechzigerjahre gestrichen, gelogen war. Sie hatten daher ihr eigenes Programm vorangetrieben und waren jetzt in der Lage, ballistische Interkontinentalraketen mit Milzbrandbakterien und Pockenviren zu bestücken.
– Der KGB hatte die elektrischen Schreibmaschinen in der Moskauer US-Botschaft mit speziellen Wanzen ausgestattet, die alles, was geschrieben wurde, an einen Horchposten in der Nähe weiterleiteten.
»So, Manny, das wär’s für diese Woche.«
»Läuft in der Botschaft alles normal?«
Kukuschkin hatte sich auf die Couch gesetzt und auf seine Uhr geschaut; er wollte wieder in der Botschaft sein, wenn seine Frau vom Zahnarzt zurückkam. »Ich glaube, ja.«
»Sie glauben es nur?«
»Nein. Ich kann es noch eindeutiger ausdrücken. Mir und meiner Frau erscheint alles normal.« Der Russe hatte ein schiefes Lächeln aufgesetzt. »Ich freue mich, dass Sie sich meinetwegen Sorgen machen, Manny.«
»Falls irgendwas passiert … falls ein Notfall eintritt, dann haben Sie ja den Rasierer mit den Zahlen auf dem Griff.«
Kukuschkin nickte müde; das hatten sie schon mehrmals durchgesprochen. »Ich drehe den Griff, bis die Zahlen Zwei und Drei an einer bestimmten Stelle sind, und wenn ich ihn dann gegen den Uhrzeigersinn drehe, öffnet sich unten eine versteckte Kammer mit einem Mikrofilm drin, auf dem steht, wie ich im Notfall in Washington und in Moskau Kontakt zu euch aufnehmen kann.«
»Stehen Sie nach wie vor auf gutem Fuß mit Ihrem Residenten Borisow?«
»Sieht so aus. Er
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