Die Company
kooperieren, werden Elena und meine Tochter nicht bestraft werden. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, das Schicksal der beiden liegt also in ihren Händen.« Kukuschkin wandte den Kopf ab und biss sich auf die Unterlippe. Als er die Fassung wiedergewonnen hatte, sagte er: »Sie sind es mir schuldig, Manny. Und ich bitte Sie, diese Schuld zu begleichen. Ich flehe Sie an. Wenn Sie das für mich tun, kann ich ruhiger sterben, mit einem besseren Gewissen.«
Ein Wirrwarr von Gedanken und Gefühlen wirbelte Manny durch den Kopf. Er blickte auf das Wrack eines Mannes, der zusammengesunken neben ihm saß. Dann nickte er elend. »Also schön«, flüsterte er. »Ich werde tun, was getan werden muss.«
Kukuschkin nickte und legte sich die flache Hand auf die Brust. »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen«, sagte er.
Manny blieb den Rest der Nacht wach, den Blick auf den Fensterschlitz oben in der Wand geheftet, angestrengt auf jedes noch so leise Ächzen oder Knirschen in dem gewaltigen Grab lauschend, das die Lubjanka darstellte. Er dachte an Leo Kritzky, allein in Angletons privatem Verlies; wenn es nach Manny ging, sollte Leo ruhig bis ans Ende seiner Tage im Gefängnis verfaulen. Das war die Company Kukuschkin schuldig. Als die Morgendämmerung in seine Zelle drang, hörte Manny, wie sich der Tod unten im Hof regte. Ein Karren auf eisenummantelten Rädern wurde in Position gerollt. Kurz darauf hörte man, wie sich eine Tür öffnete und ein Kommando Soldaten im Gleichschritt über die Pflastersteine marschierte. Ein Befehl hallte von den Steinwänden wider. Die Männer blieben stehen, stampften mit den Stiefeln auf und rammten die Gewehrkolben auf den Boden. Erneut wurden Befehle gebrüllt. Manny zog die Knie unters Kinn und hielt den Atem an. Unten im Hof wurden Gewehre durchgeladen. Eine Stimme, die Manny erst mit Verzögerung erkannte, schrie: »Sie sind es mir schuldig, Manny.« Eine Gewehrsalve krachte. Tauben flogen vom Dach des Gefängnisses auf und stoben in den aschfahlen Himmel. Als die Soldaten abmarschierten, hallte ein einziger Pistolenschuss wie ein Peitschenknall bis in Mannys Zelle. Der Karren rollte wieder über den Hof. Ein Wasserstrahl spritzte das Kopfsteinpflaster ab. Und dann vernahm Manny die erdrückendste Stille, die er je erlebt hatte.
Der Russe fragte, ob der Gefangene das aus dem Russischen übersetzte Geständnis lesen wolle, bevor er beide Fassungen unterschrieb. »Natürlich«, sagte Manny. Er hielt das Blatt mit dem getippten Text ins Licht.
Ich, der Unterzeichnete, Immanuel Ebbitt, erkläre hiermit, dass die folgenden Sachverhalte den Tatsachen entsprechen. Erstens: Ich bin Mitarbeiter der amerikanischen Central Intelligence Agency. Zweitens: Ich war als CIA-Offizier für den sowjetischen Verräter Sergei Semjonowitsch Kukuschkin zuständig, der während seiner Dienstzeit als politischer Attaché in Washington zur amerikanischen Seite überlaufen wollte. Drittens: Ich wurde als Tourist getarnt nach Moskau geschickt, um dort mit dem Verräter Kukuschkin Verbindung aufzunehmen und ihn zu überreden, weiter für die CIA zu spionieren.
Manny überflog den Rest des Textes – er entsprach genau der russischen Fassung. Er hatte seine Verbindung zu Kukuschkin zugegeben, aber weder Informationen über Operationen noch die Namen von Offizieren und Agenten der CIA preisgegeben; nach dem Motto, wenig ist besser als gar nichts, hatte der KGB sich damit begnügt. Manny nahm den Füllfederhalter, der auf dem Schreibtisch bereitlag, und unterschrieb beide Fassungen. »Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte er.
»Jetzt bereiten wir den Prozess gegen Sie vor.«
»Ich hätte aber gern einen anderen Anwalt.«
»Genosse Prawdin ist einer der tüchtigsten Strafverteidiger in Moskau –«
»Ich stelle seine Tüchtigkeit nicht in Frage«, sagte Manny. »Ich kann bloß seinen Mundgeruch nicht ertragen.«
7 Washington, D.C.,
Sonntag, 8. September 1974
D
urch den Zigarettenqualm war Angleton nur noch undeutlich zu sehen. »Die Prawda hat ein Foto von dem Geständnis zusammen mit dem Artikel über die Hinrichtung des ›Verräters Kukuschkin‹ abgedruckt«, verkündete er. »Meine Leute haben die Unterschrift überprüft – sie sind überzeugt, dass es die von Manny ist.«
»Man muss ihn unter Drogen gesetzt haben«, sagte Ebby. »Das ist die einzige Erklärung.«
Jack legte Ebby eine Hand auf die Schulter. »Es gibt noch andere Möglichkeiten«, sagte er leise. »Es könnte sein,
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