Die Company
Hotelhalle betrat, sah er sich einem halben Dutzend Männern gegenüber, die auf ihn warteten. Etwas abseits stand ein Kameramann, der die Szene filmte. Einer der Männer trat vor, zeigte einen Ausweis und eine Dienstmarke und stellte sich als FBI-Agent Sibley vor. Ein zweiter Agent legte dem Mann gekonnt Handschellen an. Hinter ihnen blieben Gäste und Angestellte des Hay-Adams stehen und gafften.
»Raymond Shelton, Sie sind festgenommen wegen des dringenden Verdachts, einen ausländischen Geheimdienst zum Schaden der Vereinigten Staaten mit geheimen Informationen zu beliefern«, verkündete Sibley.
Shelton, der völlig verstört war, stotterte: »Das muss eine Verwechslung sein –«
Der FBI-Agent war sichtlich amüsiert. »Sie sind doch der Raymond W Shelton, der bei der National Security Agency arbeitet?«
»Ja. Aber ich verstehe nicht –«
»Das werden Sie gleich.«
Vor laufender Kamera griff Sibley in Sheltons Tasche und nahm das Päckchen heraus. Er öffnete es und schüttete den Inhalt auf einen Tisch: ein Bündel Fünfhundert-Dollar-Scheine, vier Rollen Mikrofilme und ein leerer Zettel, den der Agent behutsam anfasste, um die Geheimschrift nicht zu verwischen, die sich darauf befinden könnte. Ein anderer Agent begann, Shelton seine Rechte vorzulesen: »Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden …«
Dichter Nebel hüllte die Havel ein, die Westberlin von dem in der sowjetischen Zone liegenden Potsdam trennte. Kurz nach Mitternacht kamen auf der Potsdamer Seite der Glienicker Brücke sieben Jeeps und ein schlammbespritzter Lkw mit den Sternen der Roten Armee auf den Türen angefahren. Der erste Jeep blinkte zweimal mit den Scheinwerfern. Auf der amerikanischen Seite der Brücke wurde das Signal erwidert. Russische Soldaten ließen die hintere Ladeklappe des Lkw herab, und ein großer, leicht gebeugt wirkender Mann in einem formlosen Regenmantel sprang auf die Straße. Der ihn begleitende russische Oberst blickte auf seine Armbanduhr, nickte dann zwei Soldaten zu, die sich rechts und links neben den Mann im Regenmantel stellten und mit ihm auf die Brücke gingen. Nach einem Viertel der Strecke blieben die beiden Soldaten stehen, und der Mann in Zivil ging weiter. Eine Gestalt kam von der anderen Seite auf ihn zu. Der Mann trug eine Brille mit dicken Gläsern. Die beiden Männer wurden langsamer, als sie einander auf der Brückenmitte passierten. Sie beäugten sich argwöhnisch und blieben stehen, um einige Worte zu wechseln.
»Sprechen Sie Russisch?«, fragte der jüngere Mann.
Der zweite Mann, der ziemlich durcheinander zu sein schien, fuhr sich mit knochigen Fingern durch das schüttere Haar. »Nein.«
Der jüngere Mann lächelte unwillkürlich in sich hinein. »Na ja, Sie haben ja noch bis an Ihr Lebensende Zeit, es zu lernen, Sie Armer.«
Sobald der Mann mit Brille die sowjetische Seite erreichte, trat der russische Oberst auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. »Willkommen in der Freiheit«, rief er.
»Ich bin heilfroh, hier zu sein.«
Auf der amerikanischen Seite warteten ein Mann und eine junge Frau ungeduldig vor den aufgereihten Jeeps. Der Mann spähte durch ein Fernglas. »Ja, er ist es«, sagte er.
Die Frau lief dem jungen Mann entgegen, der gerade von der Brücke kam. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie atemlos und warf sich ihm in die Arme.
Die beiden umarmten sich lange. »Ja, mir geht’s gut«, sagte er.
Der Mann mit dem Fernglas trat zu ihnen. Die beiden Männer reichten sich die Hände und ließen lange Zeit nicht los. »Ich habe das elfte Gebot gebrochen«, sagte der junge Mann.
»Es ist nicht deine Schuld«, erwiderte der andere. »So überstürzt, wie sie ihn und seine Familie zurückgeholt haben, sieht das Ganze ziemlich geplant aus. Ich denke, sie waren misstrauisch geworden und haben uns ausgetrickst. Deine Mission war von vornherein zum Scheitern verurteilt.«
»Ich war für ihn verantwortlich, Dad. Und jetzt ist er tot. Jim Angleton hat Recht behalten – ich war zu unerfahren. Irgendwas muss ich falsch gemacht haben –«
Die drei gingen zu den Jeeps. »Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte Ebby. »Auch mir ist es oft so ergangen. Das ist die schlimme Seite unseres Jobs.«
»Gibt es auch eine gute Seite?«, fragte Nellie.
»Ja, die gibt’s«, entgegnete Ebby mit Nachdruck. »Wir machen einen schmutzigen Job, und meistens machen wir ihn richtig. Aber das klappt nun mal nicht immer.« Vom Fluss trieb Nebel
Weitere Kostenlose Bücher