Die Company
er tatsächlich ein CIA-Agent war. Als Manny das weiterhin bestritt, sagte Prawdin: »Ich habe Kukuschkins Geständnis gelesen, das Sie belastet. Ich kann Ihnen zu einem milderen Urteil verhelfen, wenn Sie sich schuldig bekennen.«
Am nächsten Morgen wurde Manny aus dem Tiefschlaf gerissen, als gerade das erste Tageslicht durch ein schmales Fenster hoch oben in der Wand seiner Zelle drang. Er durfte sich rasieren und erhielt eine saubere Hose und ein frisches Hemd. Er setzte sich auf den Rand seiner Pritsche, wartete, dass die Wachen ihn holen kamen, starrte auf das kleine Guckloch, das ihn mit der Welt hoch über seinem Kopf verband, und lauschte auf das Gejohle von Häftlingen, die im Hof Fußball spielten.
Kurz darauf wurden Manny Handschellen angelegt, und man brachte ihn mit einem Lastenaufzug in eine Tiefgarage. Man bugsierte ihn in den Laderaum eines Lieferwagens, der durch dichten Verkehr zu einer weiteren Tiefgarage fuhr. Von dort führte man ihn über eine Treppe nach oben in einen Raum, wo man ihm die Handschellen abnahm und Kaffee und trockenes Gebäck anbot. Kurz darauf tauchten Prawdin und Miss Crainworth auf. Prawdin erklärte, sie seien im Gerichtsgebäude und dass Kukuschkins Prozess jeden Augenblick beginnen werde; es könne sein, dass Manny als Zeuge aufgerufen würde. Prawdin nahm die Brille ab, hauchte die Gläser an und wischte sie mit seiner Krawatte sauber. Mannys Chancen, mit einer milden Strafe davonzukommen, so sagte er noch einmal, hingen davon ab, ob er mit der Staatsanwaltschaft kooperierte. Manny blieb bei seiner Geschichte. Miss Crainworth, die sichtlich überfordert war, blickte nur von einem zum anderen, als würde sie einem Pingpongspiel zuschauen.
Um fünf Minuten vor zehn wurde Manny in einen Raum geleitet, der sich wie ein Ballsaal ausnahm, riesig, mit einer hohen Decke, an der Kronleuchter funkelten, und mit weißen, reich verzierten Säulen vor hellblauen Wänden. Auf einer Seite standen Reihen von einfachen Holzbänken, auf denen Arbeiter saßen, die sich in ihrer Stadtkleidung nicht ganz wohl zu fühlen schienen. Einige zeigten mit den Fingern auf Manny, als er eintrat. Blitzlichter explodierten in sein Gesicht, während er in eine Bankreihe geführt wurde, die mit einem Messinggeländer umgeben war. Prawdin nahm vor ihm Platz. Miss Crainworth zwängte sich auf eine Bank in der ersten Reihe und klappte ein Notizbuch auf. Zwei Richter in dunklen Anzügen saßen hinter einem langen Tisch auf einem Podest. Um Punkt zehn erschien der Angeklagte durch eine schmale Seitentür. Kukuschkin, umgeben von KGB-Sicherheitsleuten, sah ausgezehrt und benommen aus. Sein Gesicht war ausdruckslos, die Augen müde und verquollen; er schloss sie immer wieder auffällig lange und erweckte den Eindruck eines Schlafwandlers. Er trug einen zerknitterten Anzug mit Krawatte, und seinen trippelnden Schritten nach zu urteilen, war er an den Knöcheln gefesselt. Einmal blickte er in Mannys Richtung, doch es war ihm nicht anzumerken, ob er ihn erkannte. Ein erzürntes Raunen erhob sich in den Zuschauerreihen, als Kukuschkin in die Anklagebank trat. Zum Schutz gegen die Blitzlichter legte er einen Unterarm über die Augen. Einer der Wärter packte sein Handgelenk und drückte den Arm nach unten. Der Vorsitzende Richter, in schwarzer Robe und mit roter Filzmütze, betrat den Gerichtssaal. Alle im Raum erhoben sich. Manny wurde mit einem Stoß in den Rücken genötigt aufzustehen. Der Vorsitzende, ein weißhaariger Mann mit rot geränderten Augen und den Hängebacken eines Alkoholikers, nahm zwischen den beisitzenden Richtern Platz. » Sadites poshalujsta «, rief der Gerichtsdiener. Die Zuschauer, die Anwälte und Gerichtsschreiber nahmen Platz. Die Sicherheitsleute, die den Angeklagten und Manny bewachten, blieben stehen. Der Staatsanwalt, ein junger Mann in einem maßgeschneiderten blauen Anzug, erhob sich und las die Anklage gegen Kukuschkin vor.
»Der Verräter Kukuschkin, angeklagt in der Strafrechtssache Nummer 18043, ist ein Opportunist«, begann er mit vor Empörung triefender Stimme, »ein sittlich Verworfener, der sein Vaterland verraten hat. Er wurde von Agenten des imperialistischen Spionagedienstes angeworben, während er in der sowjetischen Botschaft in Washington Dienst tat. Dort beging er Landesverrat in der Absicht, die sowjetische Regierung zu stürzen und die Sowjetunion zu zerstören, damit der Kapitalismus wieder Fuß fassen könnte. Nach seiner Rückkehr nach Moskau wurde er dabei
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